Die neuesten Reanimationsleitlinien des ERC (European Resuscitation Council) und der AHA (American Heart Association) wurden soeben veröffentlicht! Die wichtigsten Punkte sind natürlich schon in Notfallguru eingearbeitet.
Hier sind die ausführlichen Leitlinien zu finden:
→ Bei Notfallguru gibt es nagelneue, übersichtliche GuruFacts zur Reanimation - perfekt zum Ausdrucken und Aufhängen: https://www.notfallguru.de/gurufacts/cpr
Auf welche Neuerungen müssen wir uns einstellen?
Kurz gesagt: Keine dramatischen Änderungen - aber einige spannende Details. Hier ein Überblick der Punkte, die uns bei den Leitlinien zur Reanimation von Erwachsenen (nach ERC) besonders aufgefallen sind:
Basismaßnahmen:
- Kernpunkte bleiben effektive Thoraxkompression, Ventilation und frühzeitige Defibrillation.
- Neu ist die Empfehlung, nach 3 Schocks einen „Vector Change“ (also die Änderung der Defi-Patch-Position) zu erwägen.
- „Precharging“ (das Laden des Defi vor dem Rhythmuscheck) ist in trainierten Teams möglich.
- Bei Zeichen der Awareness (Wachheit) unter Reanimation sollte nicht nur Muskelrelaxanz gegeben werden.
Rhythmusstörungen:
- Instabilitätskriterien inkludieren jetzt auch Arrythmien direkt nach ROSC
- Mehr Fokus auf Procainamid (in D nicht verfügbar)
- Bradykardie:
- Atropin soll bei Pat. mit höhergradigem AV-Block mit breitem QRS nicht gegeben werden (insb. AV-Block °II Typ 2 bzw. 2:1), da es den Block verschlechtern kann.
- Tachykardie breit / unregelmäßig:
- Bei Polymorpher VT mit QT-Verlängerung (Torsade de pointes): Amiodaron meiden
- Vorhofflimmern mit Präexziation (FBI Tachykardie): Kardioversion (oder Procainamid)
Beatmung:
- Erstmals werden allgemeine Beatmungseinstellungen unter Reanimation empfohlen: Am Ventilator volumenkontrollierte Beatmung, VT 6-8ml/kg, Frequenz 10/min, PEEP 0-5 cmH2O, Inspirationszeit 1-1,5 Sek. =IE 1:5-1:3 (!), Spitzendruck-Alarm 60-70 cmH2O
- Wenn ein supraglottischer Atemweg gewählt wird, sollte eine iGEL-Maske gegenüber einem Larynxtubus bevorzugt werden.
- Dauerhafte etCO2-Messung ist Pflicht.
Ultraschall:
- Sollte primär subxiphoidal durchgeführt werden, Zeitverlust muss vermieden werden - eine Technik ist die Aufzeichnung eines Loops während der Thoraxkompressions-Pause
- Eine Rechtsherzdilatation kann auch ohne Lungenembolie insbesondere bei prolongierter Reanimation auftreten
- Erfahrene können Ultraschall auch zur Lagekontrolle eines Endotrachealtubus nutzen
- Transösophageale Ultraschalldiagnostik (TEE) kann bei der Differenzierung reversibler Ursachen und bei dem korrekten Kompressionspunkt helfen
Besondere Umstände:
- Hyperkaliämie: Evidenz für Calcium ist (sehr) gering; bei Reanimation unter Hyperkaliämie sollte jedoch ein Bolus von Calcium und Natriumbicarbonat gegeben werden
- Trauma-Reanimation: Thoraxkompressionen sind gegenüber Therapie behebbarer Ursachen nachrangig, Adrenalin kann gegeben werden (niedrige Evidenz). REBOA insgesamt abgewertet.
- Schwangere: Die strenge Zeitempfehlung „5 Minuten“ zur Notsectio wird nicht mehr postuliert; weiterhin dringliche Notsectio
- Anaphylaxie: Primärtherapie (weiterhin) Adrenalin; routinemäßiges Prednisolon wird nicht mehr empfohlen; H1-Blocker nur für Hautreaktion (CAVE Hypotension bei rascher iv.-Gabe)
- Hypothermie: Bei Körperkerntemperatur <30 °C wird eine einmalige Adrenalingabe empfohlen (danach erst wieder bei 30-35°C mit doppelten Intervallen)
- Kleine Anpassungen / Details der Algorithmen für Hypothermie, Asthma/COPD, Dialyse, Lawinen-Rettung, Lokalanästhetika-Intoxikation, LVAD-Pat. mit Arrest
Erweiterte Maßnahmen:
- Eine frühzeitige invasive Blutdruckmessung wird empfohlen, unter Reanimation sollte der Ziel-Blutdruck ≥ 30 mmHg diastolisch sein. Falls dieser nicht erreicht wird: Druckpunkt optimieren (evtl. Kompression des LVOT?) und/oder reversible Ursachen (Pneumothorax / Perikardtamponade etc.) prüfen.
- Falls „nur“ etCO2 gemessen wird: Ziel-etCO2 sollte ≥ 25 mmHg sein
- Bei Pat. mit invasiver Blutdruckmessung: Blutdruck <50mmHg systolisch trotz Intervention: Thoraxkompressionen erwägen! Dann ggf. geringere Adrenalindosen (50-100µg iv.) bis zu Gesamtmenge von 1mg - danach weiter mit Standard-Adrenalindosen (jeweils 1mg alle 3-5 Minuten)
Kinder
- Anterior-Posterior Position der Defipatches (AP) für alle Kinder < 25 kg empfohlen
- Säuglinge: Thoraxkompression mit 2-Finger „Umgreife-Technik“ empfohlen
- Adrenalin wird beim nicht-schockbaren Rhythmus so schnell wie möglich empfohlen (unverändert), beim schockbaren Rhythmus hingegen wird die erste Adrenalingabe schon nach 4 Minuten (nicht wie zuvor nach dem 3. Schock) empfohlen.
- Erweiterte Tabellen mit Vitalwert-Normalwerten bei Kindern ergänzt
- Bei Krampfanfall neuer Algorithmus:
- First Line Midazolam 0,15mg/kg iv. (alternativ intranasal 0,3mg/kg, intramuskulär 0,2mg/kg oder Diazepam 0,5mg/kg - max 20mg rektal); erneute Dosis nach 5 Minuten
- Second Line: Levetiracetam 40-60mg/kg iv.
- Neugeborene: Möglichst Abnabeln erst nach ≥1 Minute (außer, kritische Maßnahmen werden dadurch verzögert)
Punkte, die nicht in den Leitlinien erwähnt / empfohlen werden:
- Double Sequence Defibrillation soll nicht routinemäßig genutzt werden (Kommentar: Eine durchaus umstrittene Entscheidung von ERC/AHA)
- Keine Empfehlung zu sonografischem Puls-Check enthalten
- Keine Empfehlung zu kontinuierlicher Adrenalin-Gabe oder zu Adrenalin intramuskulär im Rahmen von Reanimation enthalten
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