1. Leitsymptome
  2. Skills und Techniken

MANV - Massenanfall von Verletzten

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Killer

  • Verlust von Übersicht und Organisation

Erste Schritte

  • Lagemeldung auf Sicht“ an Leitstelle (oder Klinik-Einsatzleitung)
  • Erste Sichtung und Raumordnung herstellen (grün/gelb/rot örtlich sammeln)
  • Sofortbehandlung sicherstellen (insb. Blutstillung/Atemwege freimachen)
  • Lagebild aktualisieren, Kräftesammelstelle einrichten, Führung organisieren

Tipps

Bei Katastrophen/MANV ist gerade in der Frühphase Organisation und Übersicht enorm wichtig und rettet Menschenleben!

  • Frühzeitig Kräfte nachfordern („Lagemeldung auf Sicht“)
  • Erst Sichten, dann behandeln!
  • Identifikation von kritischen Patient:innen und schnellstmöglich behandeln/transportieren
  • Reevaluation von gelben und grünen Patient:innen

Wichtig: Regionale MANV Protokolle / Krankenhausalarmpläne vorab anschauen

Allgemein

Es existieren regional unterschiedliche MANV Konzepte, daher wird hier eine allgemeine Vorgehensweise vorgestellt. Wichtig ist, dass schnellstmöglich nach Lagebeurteilung und Erstversorgung der Patient:innenabtransport „Flow“ hergestellt wird. Früher teilweise empfohlene „Transportstopps“ verzögern die effektive Behandlung von kritischen Patient:innen.

PEST-Schema

nach Marc Hübner, Münster (Westf.)

Das PEST Schema richtet sich an ersteintreffende Einsatzkräfte, es bietet vorallem eine schnelle Strukturierung der Chaosphase und das umgehende Einleiten von ersten Maßnahmen.

PESTStrukturierung bei MANV
P

Priorisiere (Schnelle Eingangssichtung (z.B. Ten Scond Triage) und Rückmeldung an Leitstelle / Nachfordern von Kräften)

E

Erstversorgung (z.B. kritische Blutung stillen, Atemwege öffnen - meist parallel zu Triage)

S

Sofort-Transporte (insbesondere unstillbare kritische Blutungen / rote Pat. schnellstmöglich abtransportieren; Transporte einleiten, sobald Erstversorgung der kritischen Pat. möglich ist)

T

Transport Priorisierung (Erneute Sichtung verbleibender Pat. und Festlegung der Transport/Behandlungspriorität)

Triage

Triage dient der zügigen Priorisierung von Pat. nach Verletzungsschwere. Geschwindigkeit der Triage und Trennschärfe stehen dabei teils in Konflikt. Die erste Triage sollte möglichst schnell sein, hier bietet sich z.B. die (nicht ärztliche) Ten Second Triage oder mSTART an. Beachtet werden muss die regelmäßige Evaluation insb. der gelben und grünen Patient:innen und ggf. im Verlauf notwendige ärztliche Triage zur weiteren Differenzierung der Transportprioritäten und -Ziele.

Sichtungskategorien

  • I (rot) Vital bedroht (Sofortbehandlung)
  • II (gelb) Schwer verletzt/erkrankt (Dringliche Behandlung)
  • III (grün) Leicht verletzt/erkrankt (Nicht-dringliche Behandlung)
  • IV (blau) Ohne Überlebenschancen (Palliative Versorgung)

Weitere Kennzeichnung

  • V (schwarz) EX (Verstorben)
  • B (weiß) Betroffene (Betreuung)
Details

Kategorie I-III entspricht der Behandlungsdringlichkeit, Kennzeichnung V entspricht leblosen Pat. welche reanimationspflichtig / verstorben sind, IV entspricht sterbenden Pat. für welche nur eine minimale Überlebenschance besteht und deren Behandlung die aktuellen Ressourcen übersteigt.

Leblose Pat. sind unter ausreichenden Ressourcen zu reanimieren, bis eine ärztliche Einschätzung erfolgt (Ausnahme: sichere Todeszeichen / nicht überlebbare Verletzungen)

Die abschließende Todesfeststellung und Einteilung in Kategorie IV ist ärztliche Aufgabe. Ebenso erfolgt die weitere Unterteilung nach Transportdinglichkeit innerhalb von Kategorie I-IV nach ärztlichem Ermessen (Notarzt/LNA).

Betroffene Personen (weiß) sind Personen, die zwar einer Betreuung bedürfen, jedoch ohne akutes medizinisches Problem (Angehörige, Augenzeugen etc.).

Ten Second Triage

Tool zur schnellen Triage zu Beginn eines MANV. Einteilung in Rot/Gelb/Grün/Schwarz. Aus UK (→NHS Ten Second Triage).

5 Fragen. Antwort "Nein": Weiter zur nächsten Frage)

  1. Gehfähig? Ja = grün
  2. Kritische Blutung? Ja = Rot (Druck auf die Blutung ausüben/Tourniquet/Packing)
  3. Spricht Pat.?
    1. Ja => Frage 4
    2. Nein => Frage 5
  4. Penetrierende Verletzung im Torso?
    1. Ja = Rot
    2. Nein = Gelb
  5. Atmung vorhanden (nach Freimachen der Atemwege)?
    1. Ja = Rot + stabile Seitenlage
    2. Nein = CPR wenn möglich, sonst Schwarz

mSTART

Die nicht ärztliche Triage nach mSTART (modified Simple Triage and Rapid Treatment) ist im deutschsprachigen Raum verbreitet und differenzierter (aber auch komplexer) als z.B. das Ten-Second-Triage Modell. Es wird in Sichtungskategorie I bis V (rot/gelb/grün/blau/schwarz) eingeteilt und ist im Detail (meist nach Bundesländern) nicht immer im Detail gleich strukturiert (hier basierend auf bayerischen Vorsichtungs-Algorithmus).

Ablauf:

  1. Gehfähig?
    1. Ja: Kategorie grün (IV) – „selbstgehend, nachgeordnet versorgen“
    2. Nein: Weiter mit Punkt 2
  2. Tödliche Verletzung?
    1. Ja: Todesfeststellung durch Arzt
    2. Nein: Weiter mit Punkt 3
  3. Spontanatmung?
    1. Nein: Atemwege freimachen!
      1. Weiter keine Spontanatmung: Kategorie schwarz (V) („Reanimationspflichtig, Behandlung nur bei ausreichenden Ressourcen“)
      2. Spontanatmung nach Freimachen → Kategorie rot (I)
    2. Ja: Weiter mit Punkt 4
  4. Atemfrequenz zwischen 10/min und 30/min?
    1. Nein: Kategorie rot (I) („Atemstörung“)
    2. Ja: Weiter mit Punkt 5
  5. Spritzende Blutung?
    1. Ja: Blutstillung, Kategorie rot (I)
    2. Nein: weiter mit Punkt 6
  6. Radialispuls tastbar? (bzw. Rekap <2 s als Surrogat)
    1. Nein: Kategorie rot (I) („Kreislaufstörung“)
    2. Ja: Weiter mit Punkt 7
  7. Kann einfachen Befehlen folgen?
    1. Nein: Kategorie rot (I) („neurologische Störung“)
    2. Ja: Weiter mit Punkt 8
  8. Inhalationstrauma mit Stridor?
    1. Ja: Kategorie rot (I)
    2. Nein: Kategorie gelb (II) („nicht kritisch, aber versorgungsbedürftig“)

Rote Patient:innen

Einschätzung bzgl Soforttransport / keine Überlebenschance?

Bei minimaler Überlebenschance und eingeschränkten Ressourcen können sterbende Patienten nach notärztlicher Sichtung in blau (IV) eingeteilt werden („abwartende Behandlung“).

Diese Entscheidung rechtfertigt sich nur in Ausnahmefällen, wenn Individualbehandlung aktuell nicht möglich ist und für diese Patient:innengruppe keine Behandlungs-/transportkapazität zur Verfügung steht.

Einsatzführung - erste Schritte

Das ERFOLG Schema ordnet die notwendigen Erstmaßnahmen bei Großschadenslagen für die Einsatzführung (ELRD, ORGL, LNA etc.). Es schließt sich an das PEST Schema der Erstkräfte an und ermöglicht eine schnelle Strukturierung des Einsatzes.
nach Marc Hübner, Münster (Westf.)

ERFOLGErste Schritte zur Einsatzführung bei MANV
E

Erstversorgung / Erstsichtung sicherstellen

R

benötigte Ressourcen anfordern / zuteilen

F

Führungsorganisation (Zuteilung von Einsatzabschnitten / Verantwortlichkeiten)

O

Ordnung des Raumes (Einsatzabschnitte / Sammelpunkte / Transportwege definieren)

L

Lageabgleich (mit allen Führungskräften der Abschnitte / Kontakt zu Führungskräften beteiligter BOS)

G

Gesamtüberblick (inkl. Kontrolle)

Besonderheiten bei polizeilichen Lagen

Bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen (LbEL, LebEL, ) z.B. Terroranschlag liegt die Einsatzführung bei der Polizei. Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr durch den Rettungsdienst muss vor etwaigen Angriffen geschützt werden. Um die verschiedenen Gefahrenbereiche zu definieren wird in Deutschland ein Zonenkonzept verwendet.

Zu Einsatzbeginn ist häufig kein vollständiges Lagebild vorhanden, sodass ein sicherer Bereich kaum definiert werden kann. Eine enge Abstimmung mit der Polizei ist notwendig, um Bereitstellungsräume und Patientenübergabepunkte festzulegen.

Zonenkonzept für Organisationsübergreifende Einsatzlagen

Die Polizei teilt die Gefahrenbereiche in Rot, Orange, Gelb und Grün ein, wobei manche Bundesländer auf die Unterscheidung zwischen Orange und Rot verzichten.

  • Rot: direkter Einwirkungsbereich durch Täter (nur Sofortrettung und Evakuierung)
  • Orange: Kein direkter Einwirkungsbereich, Einsatzraum bedingt unter Kontrolle (Versorgung im "Verwundetennest" durch Sanitätskräfte der Polizei)
  • Gelb: Bereich unter eigener Kontrolle (Rettungsdienst übernimmt Pat. unter Schutz der Polizei)
  • Grün: Sicherer Bereich (Reguläre Versorgung durch den Rettungsdienst ist möglich)

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DGAI. S2k-Leitlinie Katastrophenmedizinische prähospitale Behandlungsleitlinien. AWMF (2023).
  • Kanz, K. G., Hornburger, P., Kay, M. V., Mutschler, W. & Schäuble, W. mSTaRT-Algorithmus für Sichtung, Behandlung und Transport bei einem Massenanfall von Verletzten. Notf. Rettungsmedizin 9, 264–270 (2006).