Übergabe
Eine strukturierte Übergabe an Schnittstellen (klassisch z.B. Rettungsdienst - Notaufnahme; Notaufnahme - Intensivstation; Intensivverlegung) hilft Prioritäten zu definieren, wichtige Informationen weiterzugeben und Informationen zu vermeiden. Schnittstellen haben ein großes Potenzial für Fehler, insbesondere bei kritischen Patient:innen.
Es gibt verschiedene Übergabe-Schematam, allerdings ohne klare Evidenz für die Vorteile einzelner Konzepte untereinander. Folgend Vorstellung einiger pragmatischer Konzepte.
5-Second-Round
In vielen Schockraum-Konzepten wird noch VOR der Übergabe im Schockraum eine "5-Second-Round" eingeführt, bei der durch den Teamleader des Schockraum-Teams kurz ein Blick auf die Patient:in und den Transport-Monitor geworfen wird mit einer zentralen Fragestellung: Ist Pat. stabil genug für Übergabe? Sind sofortige Maßnahmen (z.B. Beginn mit Reanimation) notwendig?
SINNHAFT
Neues Schema, insb. für die Übergabe in der Notaufnahme / Schockraum konzipiert. Hier sind insbesondere Team-Kommunikationsaspekte (klarer Beginn der Übergabe, Wiederholung und Fragen am Schluss) extra betont.
- S tart: Ruhe, 5-Second-Round, Beginn Übergabe
- I denfikation: Geschlecht, Name, Alter
- N otfallereignis: Leitsymptom, Ursache, Zeitpunkt, ggf. Auffindesituation
- N otfallpriorität: Akute Probleme mit pathologischen Befunden nach ABCDE
- H andlungen: Erfolgte Therapie / Intervention
- A namnese: Allergien, Medikation, Vorerkrankungen, Infektion etc.
- F azit: Wiederholung durch übernehmende Team
- T eamfragen: Fragen durch das übernehmende Team
SBAR / ISBAR
International verbreitetes Übergabekonzept, u.a. von der WHO empfohlen. Ergänzt um „I“ (für „Identifikation“) wird SBAR zu ISBAR.
- I dentifikation (Name, Alter, Geschlecht)
- S ituation (Was ist passiert, Leitsymptom etc.)
- B ackground (Vorgeschichte, Auffindesituation, relevante Vorerankungen, Dauermedikation (SAMPLER)
- A ssessment (Vitalwerte, erfolgte Interventionen/Therapie, Verlauf bisher)
- R ecommendation (offene Punkte, aktuelle Prioritäten, Empfehlungen, Nachfragen)
Eine alternative Variante zu SBAR / ISBAR ist "ISOBAR" (explizite Ergänzung von "Observations" - ABCDE, Vitalwerte etc. nach der Schilderung der Situation)
ATMIST
Vor allem aus der Trauma-Medizin, sehr fokussiert.
- A ge (Alter + Name, Geschlecht)
- T ime (Zeitpunkt des Unfalls / Ereignisses)
- M echanism (Schockraumindikation, Unfallmechanismus)
- I njury (Verletzungen aus der initialen Untersuchung, fokussiert „von Kopf bis Fuß“)
- S ymptoms/Signs (Untersuchungsbefund nach cABCDE)
- T reatment (erfolgte Behandlung / Therapie, insb. Narkose, TXA; ggf. zusätzliche Informationen wie Allergie, Angehörige, Nüchternstatus, Dauermedikation falls verfügbar)
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Übergabe Infografik inkl. SINNHAFT Pocketcards (Nerdfallmedizin 2024)
- Zukunft der Übergabe: SINNHAFT (News-Papers 2023)
- Übergabe bei Trauma - ATMIST (Nerdfallmedizin 2018)
- ATMIST und SBAR (FOAM RD 2018)
Literatur
- Gräff, I., Ehlers, P. & Schacher, S. SINNHAFT – die Merkhilfe für die standardisierte Übergabe in der zentralen Notaufnahme. Notf. Rettungsmedizin 1–5 (2023).
- Gräff, I. et al. Empfehlungen zum strukturierten Übergabeprozess in der zentralen Notaufnahme. Notf. Rettungsmedizin 25, 10–18 (2022).
- Triphaus, C. Strukturierte Patientenübergabe/-übernahme in der Notfallmedizin. retten! 9, 233–236 (2020).
- Dossow, V. von & Zwißler, B. Strukturierte Patientenübergabe in der perioperativen Phase – Das SBAR-Konzept. Anästh Intensivmed 88–90 (2016).
- Mercer, S., Arul, G. S. & Pugh, H. E. J. Performance improvement through best practice team management: human factors in complex trauma. J. R. Army Méd. Corps 160, 105 (2014).
- WHO. Communication During Patient Hand-overs. WHO Collaborating Centre for Patient Safety Solutions (2007).