Die Notfallguru-Plattform ist in der Beta-Phase und wird konstant erweitert.
Diese Informationen richten sich nur an medizinisches Fachpersonal, Nutzung auf eigene Verantwortung!

Killer

  • Hämatothorax
  • Spannungspneumothorax
  • Perikardtamponade
  • Gefäßverletzung/Aortenruptur (insb. Hochrasanztrauma, Seitenaufprall)
  • Trachea-/Bronchusverletzung

Erste Schritte

  • Thorax abtasten bzgl. Instabilität/Druckschmerz
  • Bei relevantem Trauma immer (sonographisch) Pneumothorax/Hämatothorax ausschließen
  • Röntgen-Thorax
  • Kritische Patient:in + Pneumothorax = Sofort entlasten!
    • Nadeldekompression/Fingerthorakostomie
      • vordere/mittlere Axillarlinie, 4./5. ICR (Bülau-Position), danach Anlage Thoraxdrainage
  • Hämatothorax: Immer Thoraxdrainage! Thorakotomie ab >1.500ml initialem Blut / >200ml/h oder bei therapierefraktärem hämorrhagischen Schock
  • Perikarderguss: Umgehende thorax-/herzchirurgische Rücksprache und engmaschige Sono-Kontrolle
    • bei Tamponade umgehend entlasten: (Nadel)Punktionen selten effektiv, Notfall-Thorakotomie bei (Peri-)Arrest erwägen

Tipps

  • Fraktur der ersten bis dritten Rippe deutet immer auf Hochrasanztrauma/ Hochrisikomechanismus hin und indiziert großzügige Diagnostik! (insb. Aorten-/Gefäßverletzung!)
  • Bei Lungenkontusion/instabilem Thorax und Ausschluss Pneumothorax (bzw. drainiertem Pneumothorax) NIV erwägen

Traumatischer Pneumothorax

  • Häufige Folge stumpfer und penetrierender Thoraxtraumata
  • Eine der häufigsten, übersehenen reversiblen Todesursachen nach traumatischem Kreislaufstillstand!
  • Dynamischer Prozess - initial oft nahezu beschwerdefrei!

Definition/Pathophysiologie:

  • Freie Luft zwischen Pleura parietalis und viszeralis (entweder nach Verletzung von Lunge oder Thoraxwand). Hierdurch wird die adhäsive Anhaftung der Lunge an die innere Thoraxwand aufgehoben. An den betroffenen Stellen fehlt nun die Gegenkraft zu den elastischen Rückstellkräften des Lungengewebes und es kommt zum (teilweisen) Zusammenziehen/„Kollaps“ der Lunge.
  • Spannungspneumothorax: Hier kommt es zusätzlich zu den oben beschriebenen Vorgängen zu einer zunehmenden Ansammlung von Luft im Pleuraspalt: Bei Inspiration gelangt Luft in den eröffneten Pleuraraum, bei Exspiration kann diese aufgrund eines Ventilmechanismus nicht mehr entweichen. Der so entstehende intrathorakale Überdruck komprimiert und verdrängt zunehmend die intrathorakalen Gefäße und Organe. 


Klinik:

  • Initial oft nahezu beschwerdefreie Patient:innen!
    • Tachykardie meist erster Hinweis auf Spannungspneumothorax (nicht SpO2 Abfall!)
  • Hautemphysem, einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch (selten, aber stark hinweisend)
    • Unsichere klinische Zeichen: Zyanose, Halsvenenstauung, Trachealverlagerung
  • Thorax-Sonografie: Fehlendes Pleuragleiten, „Barcode-Sign“ im M-Mode
  • Rö-Thorax: Ausdehnung besser erfassbar als in Sonographie
    • Nachteil: kleinere Pneumothoraces werden insb. in Liegendaufnahmen häufig übersehen!
  • CT-Thorax: Höchste Sensitivität
    • Bei kritischen Patient:innen und klinischem Verdacht jedoch Entlastung vor CT!

Management:

  • Kritische:r Patient:in + Pneumothorax = SOFORT entlasten!
    • Nadeldekompression meist schneller als Fingerthorakostomie!
      • Position jeweils vordere/mittlere Axillarlinie, 4./5. ICR (Bülau-Position)
    • Nach Nadeldekompression immer Thoraxdrainage legen!
  • Kleinere Pneumothoraces ohne Spannungskomponente können evtl. konservativ beobachtet werden, wenn keine der folgenden Kriterien zur Entlastung erfüllt sind:

    Hämatothorax

    • Blut im Pleuraspalt, häufig in Einheit mit Pneumothorax (Hämatopneumothorax)
    • Blutungen in den Pleuraspalt können mit relevanter Hämorrhagie und Schock einhergehen (bis zu 3l Blutvolumen pro Hemithorax möglich)

    Therapie:

    • Initialtherapie besteht immer aus Thoraxdrainage - Blutung einer entfalteten Lunge sistiert eher
      • Eine "Selbsttamponade" der intrathorakalen Blutung findet nicht statt, durch eine korrekte Drainagenanlage wird die Blutung daher nicht gefördert, sondern nur sichtbar
    • Indikation zur Thorakotomie bei >1500ml Blut initial oder >200ml/h bzw. therapierefraktären, hämorrhagischem Schock bei einliegender Thoraxdrainage!

    Organkontusion

    Lungenkontusion

    Quetschung des Lungengewebes mit diffusen parenchymalen Einblutungen. ARDS-ähnliches Bild (flaue Infiltrate, bei Hämatom ggf. abgegrenzt)

    Diagnostik: Ausschluss mit CT-Thorax (im Rö-Thorax ggf. umschriebene Infiltrate)

    Therapie: 

    • O2-Gabe, Überwachung, ggf. Atemunterstützung (NIV bis zu invasiver Beatmung)
    • Aufgrund der teilweise progredienten resp. Insuffizienz initial Überwachung für 24h bei ausgeprägter Symptomatik oder ausgedehntem radiologischen  Befund

    Herzkontusion

    Quetschung/Prellung des Herzens mit potenzieller Gefahr mechanischer Läsionen (bspw. Klappenausriss/Wandhämatom etc.), Ischämie und/oder Rhythmusstörungen. Häufig mit posttraumatischen Auffälligkeiten im 12-Kanal EKG oder EKG-Monitoring

    Diagnostik: 

    • 12-Kanal EKG + Troponin
    • TTE (Perikarderguss? Neue Wandbewegungsstörung? Neu eingeschränkte LVEF?)

    Therapie: 

    • Bei EKG Auffälligkeiten / Troponinerhöhung: Monitorüberwachung für 24h
    • Bei klinischer Verschlechterung umgehend Echokardiographie und kardiologische Rücksprache

    Verletzung des knöchernen Thorax

    Fraktur der ersten bis dritten Rippe deutet immer auf Hochrasanztrauma hin und indiziert großzügige Diagnostik! (CAVE: Aorten-/Gefäßverletzung)

    Klinik:

    • Lokaler Druckschmerz/Krepitation
    • Bei Rippenserienfraktur ggf. paradoxe Atmung

    Diagnostik:

    • Röntgen Thorax / knöcherner Hemithorax hat schlechte Sensitivität
    • Sonographie der Kortikalis am Punktum Maximum dem Röntgen gleichwertig
    • CT-Thorax hat höchste Spezifität und Sensitivität

    Rippenfraktur

    • Ausreichende Analgesie (Durchatmen und Husten muss möglich sein)
      • CAVE: Sekundäre Pneumonie bei Schonatmung und vermindertem Hustenstoß
    • (Sonografisch) Ausschluss eines Pneumothorax

    Management instabiler Thorax / Flail Chest:

    Sind mehrere Rippen an mehreren Stellen gebrochen, kommt es zu paradoxen und ineffizienten Atemexkursionen - meist ist eine respiratorische Insuffizienz die Folge.

    • großzügig Thoraxdrainage legen (erhöhtes Risiko für Pneumothorax!)
      • CAVE: Spitze Knochenfragmenten bei Anlage.
    • (Nicht-) Invasive Beatmung erwägen (innere Schienung durch Überdruckbeatmung)
      • In aBGA frühzeitig nach Anzeichen respiratorischer Insuffizienz suchen!
    • Rücksprache mit Thoraxchirurgie bzgl. operativer Versorgung
    • Meist weitere intensivmedizinische Überwachung notwendig!

    Sternumfraktur:

    • Herzkontusion höchst wahrscheinlich
      • 12-Kanal EKG und ggf. Troponin
      • EKG-Monitoring für mind. 4h erwägen
    • Sternumfraktur spricht für relevantes Trauma - gezielt weitere Verletzungen suchen!
    • Sonstiges Management wie bei Rippenfraktur

    Penetrierendes Thoraxtrauma

    Grundregeln

    • Penetrierende Gegenstände werden zunächst belassen
    • Sondieren der Wunden obsolet (Wundtiefe kann durch Kulissenphänomen fehlgedeutet werden, Verletzung tieferer Strukturen möglich)
    • Vermeintlich kleine oberflächliche Wunden keinesfalls unterschätzen!

    Management

    • Patient:in instabil:
      • ABC-Management
      • Hämorrhagischer Schock: Managent der akuten Blutung / Massivtransfusion
      • V.a. Pneumothorax/Hämatothorax → Umgehend Thoraxdrainage!
      • Herzbeuteltamponade → Notfallthorakotomie erwägen
      • Offene Thoraxverletzung → Wunde abdecken
        (wenn vorhanden, Thoraxverschlusspflaster mit Ventil nach außen)
      • Im Zweifel immer Thoraxdrainage (ggf. beidseitig)!
      • Indikation zur Thorakotomie bei >1500ml Blut initial oder >200ml/h über  einliegende Thoraxdrainage
    • Patient:in stabil:
      • Großlumiger iv.-Zugang, ggf. O2-Gabe, Monitoring (RR, spO2, EKG)
      • 12-Kanal EKG
      • eFAST (Fokus insb.: Pneumothorax, Hämatothorax, Perikarderguss)
      • Röntgen-Thorax in PA-Aufnahme
      • Stationäre Aufnahme zur Überwachung (Röntgenkontrolle nach 6h)

    Offene Thoraxverletzung

    • Verletzung der Thoraxwand mit offener Verbindung in die Pleurahöhle
    • „sucking wound“ durch intrathorakalen Unterdruck: während Inspiration wird Luft von Außen angesaugt 
      • Externer Spannungspneumothorax (Luftzufuhr von extern, statt aus der Lunge) kann sich bilden. Daher Verband mit Ventilmechanismus verwenden (s.u.).

    Management

    • Wunde steril abdecken
      • An drei Seiten verkleben, um Ventil nach Aussen zu bilden. Alternativ spezielle „Chest-Seal“ Verbände verwenden.
    • Thoraxdrainage legen (nicht durch Wunde - Keimverschleppung)
    • Großzügig Intubation und maschinelle Beatmung Bei verschmutzter Wunde: Prophylaktische Antibiose (z.B. 1,5g Cefuroxim iv.)
    • Operative Versorgung durch Thoraxchirurgie

    Traumatische Herzbeuteltamponade

    • Klinische Hinweise:
      • Schock +
      • gestaute Halsvenen
      • gedämpfte Herztöne
      • paradoxer Puls
        (in der Praxis selten praktikable Hinweise)
      • Subxiphoidale Sonografie Goldstandard zum schnellen Ein-/Ausschluss

    Management:

    • Thorakotomiebereitschaft herstellen! (Set bereitlegen, (Herz/Thorax-) Chirurgie informieren)
    • umgehende chirurgische Versorgung
    • Punktion kann versucht werden, ist aber selten effektiv (Blut im Perikardbeutel meist geronnen und über Drainage nicht zu entlasten) - ggf. als überbrückende Maßnahme bis zur Thorakotomie
    • Bei (bevorstehendem) Herzkreislaufstillstand: Thorakotomie (z.B. Clamshell)

    Traumatische Aortenverletzung

    • Hohe primäre Letalität (ca. 80% Pat. versterben vor Erreichen des Krankenhauses)
    • Einriss meist Loco Typico: Aortenbogen nach Abgang der linken A. subklavia
    • Typischer Unfallmechanismus: PKW Unfall mit Seitenaufprall

    Symptome: (unspezifisch)

    • Massiver Rückenschmerz
    • Systolikum
    • Blutdruckdifferenz der Arme

    Diagnostik:

    • CT-Thorax mit KM (Goldstandard!)
    • Röntgen Thorax nicht zum Ausschluss geeignet
      • Ggf. erweitertes Mediastinum, abnorme Aortenkontur
    • Echokardiografie nicht zum Ausschluss geeignet

    Management:

    • Bei RR> 100mgHg syst. Gabe von Betablockern erwägen (Zielblutdruck ca. 90mmHg syst.) 
    • Umgehende operative Versorgung

    Zwerchfellruptur

    • Häufig primär übersehene Verletzung nach massivem Abdominaltrauma
    • Meist linksseitiger Zwechfelleinriss mit Eindringen von Bauchorganen (Darm) in den Thorax
    • Meist operative Versorgung notwendig

    Weiterführende Literatur und Links

    Interessante Links (frei zugänglich)
    Literatur
    • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine nach dem EU-Curriculum. (2020).
    • Wyatt, J. P., Taylor, R. G., Witt, K. de & Hotton, E. J. Oxford Handbook of Emergency Medicine. (2020).
    • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
    • Weigel, B. & Nerlich, M. L. Praxisbuch Unfallchirurgie. (2011).

    Urheberrecht © Notfallguru 2023