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  2. Trauma

Thoraxtrauma

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Killer

  • Spannungspneumothorax
  • Hämatothorax
  • Perikardtamponade
  • Gefäßverletzung/Aortenruptur (insb. Hochrasanztrauma, Seitenaufprall)
  • Trachea-/Bronchusverletzung

Erste Schritte

  • Thorax abtasten bzgl. Instabilität/Druckschmerz
  • Bei relevantem Trauma immer primär (sonographisch) Pneumothorax/Hämatothorax ausschließen
  • Röntgen-Thorax
  • Kritische Patient:in + Pneumothorax = Sofort entlasten!
    • Nadeldekompression/Fingerthorakostomie
      • vordere/mittlere Axillarlinie, 4./5. ICR (Bülau-Position), danach Anlage Thoraxdrainage
  • Hämatothorax: Immer Thoraxdrainage! Thorakotomie ab >1.500ml initialem Blut / >200ml/h oder bei therapierefraktärem hämorrhagischen Schock
  • Perikarderguss: Umgehende thorax-/herzchirurgische Rücksprache und engmaschige Sono-Kontrolle

Tipps

  • Fraktur der 1. bis 3. Rippe deutet immer auf Hochrasanztrauma/ Hochrisikomechanismus hin und indiziert großzügige Diagnostik! (insb. Aorten-/Gefäßverletzung!)
  • Bei Lungenkontusion/instabilem Thorax und Ausschluss Pneumothorax (bzw. drainiertem Pneumothorax) NIV erwägen

Traumatischer Pneumothorax

  • Häufige Folge stumpfer und penetrierender Thoraxtraumata
  • Eine der häufigsten übersehenen reversiblen Todesursachen nach traumatischem Kreislaufstillstand!
  • Dynamischer Prozess - Pat. initial oft nahezu beschwerdefrei!

Definition/Pathophysiologie:

  • Freie Luft zwischen Pleura parietalis und viszeralis (entweder nach Verletzung von Lunge oder Thoraxwand)
    → adhäsive Anhaftung der Lunge an innere Thoraxwand wird aufgehoben
    → An betroffenen Stellen fehlt Gegenkraft zu den elastischen Rückstellkräften des Lungengewebes
    → (teilweises) Zusammenziehen/„Kollaps“ der Lunge
  • Spannungspneumothorax:
    Zusätzlich zu den oben beschriebenen Vorgängen zunehmende Ansammlung von Luft im Pleuraspalt = Bei Inspiration gelangt Luft in eröffneten Pleuraraum, bei Exspiration kann diese aufgrund eines Ventilmechanismus nicht mehr entweichen
    → Entstehender intrathorakaler Überdruck komprimiert und verdrängt zunehmend intrathorakale Gefäße und Organe


Klinik:

  • Initial oft nahezu beschwerdefreie Patient:innen!
    • Tachykardie meist erster Hinweis auf Spannungspneumothorax (nicht SpO2 Abfall!)
  • Hautemphysem, einseitig abgeschwächtes Atemgeräusch (selten, aber stark hinweisend)
    • Unsichere klinische Zeichen: Zyanose, Halsvenenstauung, Trachealverlagerung
  • Thorax-Sonografie: Fehlendes Pleuragleiten, „Barcode-Sign“ im M-Mode
  • Rö-Thorax: Ausdehnung besser erfassbar als in Sonographie
    • Nachteil: kleinere Pneumothoraces werden insb. in Liegendaufnahmen häufig übersehen!
  • CT-Thorax: Höchste Sensitivität
    • Bei kritischen Patient:innen und klinischem Verdacht jedoch Entlastung vor CT!

Management:

  • Kritische:r Patient:in + Pneumothorax = SOFORT entlasten!
    • Nadeldekompression meist schneller als Fingerthorakostomie
      • Position jeweils vordere/mittlere Axillarlinie, 4./5. ICR (Bülau-Position)
    • Nach Nadeldekompression immer Thoraxdrainage legen!
  • Kleinere Pneumothoraces ohne Spannungskomponente können evtl. konservativ beobachtet werden, wenn keine der folgenden Kriterien zur Entlastung erfüllt sind:

Hämatothorax

  • Blut im Pleuraspalt, häufig in Einheit mit Pneumothorax (Hämatopneumothorax)
  • Blutungen in den Pleuraspalt können mit relevanter Hämorrhagie und Schock einhergehen (bis zu 3l Blutvolumen pro Hemithorax möglich)

Therapie:

  • Initialtherapie besteht immer aus einer Thoraxentlasung, denn die Blutung einer entfalteten Lunge sistiert eher
    • Eine "Selbsttamponade" der intrathorakalen Blutung findet nicht statt, durch eine korrekte Drainagenanlage wird die Blutung daher nicht gefördert, sondern nur sichtbar
  • Indikation zur Thorakotomie bei >1500ml Blut initial oder >200ml/h bzw. therapierefraktären, hämorrhagischem Schock bei einliegender Thoraxdrainage!

Organkontusion

Lungenkontusion

Quetschung des Lungengewebes mit diffusen parenchymalen Einblutungen. ARDS-ähnliches Bild (flaue Infiltrate, bei Hämatom ggf. abgegrenzt)

Diagnostik: Ausschluss mit CT-Thorax (im Rö-Thorax ggf. umschriebene Infiltrate)

Therapie: 

  • O2-Gabe, Überwachung, ggf. Atemunterstützung (NIV bis zu invasiver Beatmung)
  • Aufgrund der teilweise progredienten resp. Insuffizienz initial Überwachung für 24h bei ausgeprägter Symptomatik oder ausgedehntem radiologischen  Befund

Herzkontusion (Contusio cordis)

Quetschung / Prellung des Herzens mit potenzieller Gefahr mechanischer Läsionen (bspw. Klappenausriss/Wandhämatom etc.), Ischämie und/oder Rhythmusstörungen. Häufig mit posttraumatischen Auffälligkeiten im 12-Kanal EKG oder EKG-Monitoring verbunden.

Diagnostik: 

  • 12-Kanal EKG + Troponin
  • Transthorakale Echokardiographie (Perikarderguss? Neue Wandbewegungsstörung? Neu eingeschränkte LVEF?)

Therapie: 

Verletzung des knöchernen Thorax

Fraktur der 1. bis 3. Rippe deutet immer auf Hochrasanztrauma hin und indiziert großzügige Diagnostik! (CAVE: Aorten-/Gefäßverletzung)

Klinik:

  • Lokaler Druckschmerz/Krepitation
  • Bei Rippenserienfraktur ggf. paradoxe Atmung (→Pschyrembel)

Diagnostik:

  • Röntgen Thorax / knöcherner Hemithorax hat schlechte Sensitivität
  • Sonographie der Kortikalis am Punktum Maximum dem Röntgen gleichwertig
  • CT-Thorax hat höchste Spezifität und Sensitivität

Rippenfraktur

  • Ausreichende Analgesie (Durchatmen und Husten muss möglich sein)
    • CAVE: Sekundäre Pneumonie bei Schonatmung und vermindertem Hustenstoß
  • (Sonografischer) Ausschluss eines Pneumothorax

Management instabiler Thorax / Flail Chest:

Sind mehrere Rippen an mehreren Stellen gebrochen, kommt es zu paradoxen und ineffizienten Atemexkursionen - meist ist eine respiratorische Insuffizienz die Folge.

  • großzügig Thoraxdrainage legen (erhöhtes Risiko für Pneumothorax!)
    • CAVE: Spitze Knochenfragmenten bei Anlage.
  • (Nicht-) Invasive Beatmung erwägen ("innere Schienung" durch Überdruckbeatmung)
    • In aBGA frühzeitig nach Anzeichen respiratorischer Insuffizienz suchen!
  • Rücksprache mit Thoraxchirurgie bzgl. operativer Versorgung
  • Meist weitere intensivmedizinische Überwachung notwendig

Sternumfraktur:

  • Herzkontusion höchst wahrscheinlich
  • Sternumfraktur spricht für relevantes Trauma - gezielt weitere Verletzungen suchen!
  • Sonstiges Management wie bei Rippenfraktur

Penetrierendes Thoraxtrauma

Grundregeln

  • Penetrierende Gegenstände werden zunächst belassen
  • Sondieren der Wunden obsolet (Wundtiefe kann durch Kulissenphänomen fehlgedeutet werden, Verletzung tieferer Strukturen möglich)
  • Vermeintlich kleine oberflächliche Wunden keinesfalls unterschätzen!

Management

  • Patient:in instabil: ABC-Management
  • Patient:in stabil:
    • Großlumiger iv.-Zugang, ggf. O2-Gabe, Monitoring (RR, spO2, EKG)
    • 12-Kanal EKG
    • eFAST (Fokus insb.: Pneumothorax, Hämatothorax, Perikarderguss)
    • Röntgen-Thorax in p.a.-Aufnahme
    • Stationäre Aufnahme zur Überwachung (Röntgenkontrolle nach 6h)

Offene Thoraxverletzung

  • Verletzung der Thoraxwand mit offener Verbindung in die Pleurahöhle
  • „sucking wound“ durch intrathorakalen Unterdruck: während Inspiration wird Luft von Außen angesaugt 
    • Externer Spannungspneumothorax (Luftzufuhr von extern, statt aus der Lunge) kann sich bilden. Daher Verband mit Ventilmechanismus verwenden:

Management

  • Wunde steril abdecken
    • An drei Seiten verkleben, um Ventil nach Aussen zu bilden. Alternativ spezielle „Chest-Seal“ Verbände verwenden.
  • Thoraxdrainage legen (nicht durch Wunde - Keimverschleppung)
  • Großzügig Intubation und maschinelle Beatmung
  • Bei verschmutzter Wunde: Prophylaktische Antibiose (z.B. Cefuroxim 1,5g iv.)
  • Operative Versorgung durch Thoraxchirurgie

Traumatische Herzbeuteltamponade

  • Klinische Hinweise: Schock +
    • gestaute Halsvenen
    • gedämpfte Herztöne
    • paradoxer Puls
      (in der Praxis selten praktikable Hinweise)
    • Subxiphoidale Sonografie = Goldstandard zum schnellen Ein-/Ausschluss

Management:

  • Thorakotomie-Bereitschaft herstellen! (Set bereitlegen, (Herz/Thorax-) Chirurgie informieren)
  • umgehende chirurgische Versorgung
  • Perikard-Punktion kann versucht werden, ist aber selten effektiv (Blut im Perikardbeutel ist meist geronnen und über Drainage nicht zu entlasten) - ggf. als überbrückende Maßnahme bis zur Thorakotomie
  • Bei Kreislaufstillstand bzw. Periarrest: Notfallmäßige Thorakotomie (z.B. Clamshell)

Traumatische Aortenverletzung

  • Hohe primäre Letalität (ca. 80% Pat. versterben vor Erreichen des Krankenhauses)
  • Einriss meist Loco Typico: Aortenbogen nach Abgang der linken A. subclavia
  • Typischer Unfallmechanismus: PKW-Unfall mit Seitenaufprall

Symptome: (unspezifisch)

  • Massiver Rückenschmerz
  • Auskultatorisches Systolikum
  • Blutdruckdifferenz der Arme

Diagnostik:

  • CT-Thorax mit KM (Goldstandard!)
  • Röntgen Thorax nicht zum Ausschluss geeignet
    • Ggf. erweitertes Mediastinum, abnorme Aortenkontur
  • Echokardiografie nicht zum Ausschluss geeignet

Management:

  • Bei RR> 100mgHg syst. Gabe von Betablockern erwägen (Zielblutdruck ca. 90mmHg syst.) 
  • Umgehende operative Versorgung

Zwerchfellruptur

  • Häufig primär übersehene Verletzung nach massivem Abdominaltrauma
  • Meist linksseitiger Zwechfelleinriss mit Eindringen von Bauchorganen (Darm) in den Thorax
  • Meist operative Versorgung notwendig
Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Waydhas, C. et al. Prehospital management of chest injuries in severely injured patients—a systematic review and clinical practice guideline update. Eur. J. Trauma Emerg. Surg. 1–14 (2024)
  • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine nach dem EU-Curriculum. (2020).
  • Wyatt, J. P., Taylor, R. G., Witt, K. de & Hotton, E. J. Oxford Handbook of Emergency Medicine. (2020).
  • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
  • Weigel, B. & Nerlich, M. L. Praxisbuch Unfallchirurgie. (2011).