1. Leitsymptome
  2. Reanimation und Allgemeines

Schock

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Killer

Allgemeine Schockformen:

Besondere Schockformen (kausale Einteilung, primär symptomatische Therapie): z.B. Toxischer Schock, Endokriner Schock und Neurogener Schock

Red Flags

  • Puls nicht/schwach tastbar
  • Initiale Tachykardie wird plötzlich bradykard (CAVE: Peri-arrest-Situation!)
  • Marmorierung/Rekap-Zeit ≥ 4 sek.
  • Neu aufgetretene Agitation/Delir/Desorientiertheit
  • Intubierte Patient:innen: Plötzlicher Abfall etCO2

Erste Schritte

  • Kreislaufstabilisierung - auch wenn Ursache initial unklar ist:
    • Primär Noradrenalin „aus der Hand“ initial ev. als PushDose, dann frühzeitig Perfusor
    • 250-500ml VEL iv. als „Volumenchallenge“
  • Fokussierte Untersuchung + Anamnese (cABCDE, Fokus auf C):
    • Klinisch Hyper- oder Hypovolämie?
    • Rhythmusstörung? (Breitkomplextachykardie? Relevante Bradykardie?)
    • V.a. Sepsis? (Fieber/Infektzeichen?)
  • Notfall-Sonografie (z.B. RUSH-Protokoll)
  • BGA und breites Labor (inkl. Laktat, Hb, CRP/PCT, Troponin, TSH)
  • 12-Kanal-EKG (Ischämiezeichen: STEMI, Hochrisiko-EKG/OMI? Rhythmusstörung?)
  • Fokussierte Therapie nach vermuteter Genese/Schockform
Hypovolämer Schock
  • Blutstillung bei kritischer Blutung nach innen oder außen (Interventionen, Endoskopie oder OP brauchen Vorbereitungszeit!)
  • Frühzeitig (Massiv)transfusion und Gerinnungstherapie einleiten
  • Massiver Volumenmangel (Exsikkose, Erbrechen/Diarrhö): 10-20ml/kg VEL iv.
Distributiver Schock
Kardiogener Schock
Obstruktiver Schock

Tipps

  • Klinisches Bild zählt! Hypotonie, Tachykardie, Tachypnoe, Marmorierung unklarer Ursache → V.a. Schock!
    • Marmorierung zeigt sich oft zunächst an den Knien (= Decke hoch!)
  • Schock bedeutet nicht immer Hypotonie - und Hypotonie nicht automatisch Schock
    “Kryptogener Schock” = noch normaler Blutdruck bei peripherer Minderperfusion (z.B. kardiale Schockformen, Bradykardie + Ersatzrhythmus, Kinder)
  • Initial Stabilisierung und Diagnostik parallel, fokussiertes Vorgehen nach cABCDE
    • Kritische Blutung sofort stillen (Tourniquet, Druckverband, etc.)
  • Lebensrettende Tools: RUSH-Sono, PushDose Pressors, BGA

  • CAVE: Die übliche nichtinvasive automatische Blutdruckmessung (oszillometrische Messung) überschätzt oft den Blutdruck bei Hypotonie (falsch hohe Messung)!
    Frühzeitig invasive arterielle Blutdruckmessung erwägen, auch präklinisch (falls verfügbar).

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Zugang, Volumen, ggf. Pushdose Pressor
    • Fokussierte (cABCD-) Untersuchung inkl. EKG
  • Spezifische Therapie fokussiert - Schocktherapie nach möglicher Ursache:
    • Hypovolämie: Blutung stillen, Volumengabe, ggf. TXA
    • Kardiogen: Rhythmusstörung ggf. elektrisch kardiovertieren, frühzeitig 12-Kanal EKG: STEMI/OMI?
    • Sepsis: Volumen, Noradrenalin-Perfusor, rascher Transport
    • Obstruktiv:
  • Transportziel: Klinik mit kompetenter Intensivmedizin / nichttraumatologischem Schockraum
    • Voranmeldung!

Schock - Flowchart

Schock

Monitoring

Parameter zur Therapiesteuerung:

  • Klinik: Besserung von Vigilanz/Rekap.-Zeit relevant und häufig zugunsten von physikalischen Messwerten übersehen
  • etCO2: Erniedrigtes etCO2 bei reduziertem Herzzeitvolumen und/oder Lungenembolie
    • Auch außerhalb der Lungenembolie gut als ein Baustein zur Verlaufsbeurteilung in der Initialphase nutzbar
  • Laktat: im Schock unspezifischer Marker von Gewebe-Minderperfusion.
    Anstieg ev. auch bei Intoxikation mit erhöhter Anionenlücke oder bei Adrenalin-Gabe
    • CAVE: hohes Laktat nicht pauschal mit Volumendefizit gleichsetzen
    • Verlaufskontrollen zur Therapiekontrolle, Ziel: Laktat↓
  • MAP (mittlerer arterieller Druck): Ziel >65mmHg
    • Immer in Kontext mit Klinik/Vorerkrankungen betrachten (Bsp: Chronischer Hypertonus braucht meist auch im Schock höheren MAP)
  • Diurese
    • Stundendiurese ist zwar guter Verlaufsparameter, in der Notaufnahme jedoch zu träge und daher eher zur langfristigen Verlaufsbeobachtung geeignet.

Volumenstatus und -gabe

Bei V.a. Volumenmangel: 20ml/kg iv. VEL innerhalb der ersten Stunde unter engmaschiger Verlaufskontrolle.
Bei Hämorrhagie: Frühzeitig Transfusion + Gerinnungstherapie (statt Verdünnung durch Volumengabe)

  • Volumenmangel wird insb. bei Sepsis oft überschätzt
  • Steuern der Volumentherapie möglichst über dynamische Verlaufsparameter
    • Initiale Beurteilung der Volumenreagibilität behelfsmäßig über Blutdruck möglich

Eigentliche Fragestellung: Gibt es noch eine Volumentoleranz? Volumenüberlastung bei fehlender Volumentoleranz erhöht die Mortalität!

Volumenbeurteilung

Klinische Beurteilung (z.B. Ödeme oder trockene Schleimhäute) können in der Einschätzung helfen, sind aber in der Initialphase oft allein nicht ausreichend. Wichtig ist v.a. die Volumenreagibilität und Volumentoleranz.

Dynamische Parameter

Passive-Leg-Raise-Test:

  • Beine bei flach liegender Patient:in um 45° für 90 Sekunden anheben
  • Anstieg des MAP/RRsyst um >10mmHg hinweisend für Volumenreagibilität

    Falls Herzfrequenz rückläufig und Blutdruck ansteigend bzw. Arterienkurve in Variabilität vermindert / etCO2 leicht ansteigend: Patient:in könnte von erneutem Volumenbolus profitieren

Änderung des Schlagvolumens/HZV:

  • Echokardiografische Messung möglich - Messung vor nach Volumengabe zur Verlaufsbeurteilung notwendig bzw. VTI-Messung vor und nach Passive Leg Raise

Beurteilung der V. cava inferior:

  • Bei extremen Befunden (atemstarre, pralle VCI oder komplett kollaptische VCI) potentiell aussagekräftig.
  • Insb. „intermediäre Befunde“ oder bei bekannter Rechtsherzinsuffizienz / hochgradiger Trikuspidalklappeninsuffizienz / Beatmung mit hohem PEEP allerdings kaum zur alleinigen Beurteilung nutzbar.
  • Ggf. als Verlaufsbeurteilung in Zusammenschau mit Klinik, Blutdruckverlauf sowie Laktat geeignet

Nicht allein zur Steuerung der Volumentherapie in der Notfallsituation empfohlen:

  • ZVD
  • Zentralvenöse Sättigung

Katecholamine

Die Gabe von Katecholaminen ist oft zentral in der Therapie des Schocks.

Primäres Katecholamin in der Notaufnahme: Noradrenalin (zur Überbrückung ggf. als PushDose Pressor, dann im Verlauf via Perfusor)

Inotropika: Dobutamin, alternativ ggf. Levosimendan

Therapierefraktärer Schock trotz Katecholamin-Gabe - Ursachen

verschiedene Gründe möglich, z.B.:

Schockformen

Überblick und pathophysiologische Konzepte bei Schock (vereinfacht nach Standl et. al 2018)

Schockform

Pathophysiologie

Hypovolämer Schock

Häufigkeit
ca. 16-27%

Subformen:

  1. Hämorrhagischer Schock
  2. Traumatischer-hämorrhagischer Schock
  3. Hypovolämie “im engeren Sinn”
  4. Traumatisch-hypovolämischer Schock

ad 1: Blutung mit (relevantem) Verlust von Erythrozyten
z.B. nach Gefäßruptur (Aorta, etc.), postpartale Blutungen,
gastrointestinale oder HNO-Blutung mit 
relevantem Verlust von zirkulierendem Blutvolumen

ad 2: (Poly-) Trauma, etc.:
zusätzlich zu (1) relevantes Gewebetrauma 
mit (u.a.) Inflammation, Gerinnungsstörung

ad 3: Flüssigkeitsverlust / verminderte Flüssigkeitszufuhr
z.B. Erbrechen, Diarrhö, Hyperthermie, renaler Verlust

ad 4: Flüssigkeitsverlust
z.B. durch großflächige Verbrennungen:
zusätzlich zu (3) Gerinnungs- und Immunaktivierung 
bis hin zu Koagulopathie

Distributiver Schock

Häufigkeit
ca. 59-66%

Subformen:

  1. Septischer Schock
  2. Anaphylaktischer Schock
  3. Neurogener Schock

Relative Hypovolämie durch
(pathologische) Umverteilung des intravasalen Volumens:

ad 1: Periphere Vasodilatation, Volumenverschiebung,
 erhöhtes Capillary Leak. 
Teils zusätzlich septische Kardiomyopathie,
Gerinnungsstörung

ad 2: Akute Vasodilatation 
(sowie andere Symptome bei Anaphylaxie 
z.B. Bronchoobstruktion, Hauterscheinungen)

ad 3: (Massive) Vasodilatation 
durch Ausfälle der sympathischen /  parasympathischen Steuerungsfunktionen 
(z.B. Rückenmarkstrauma)

Kardiogener Schock

Häufigkeit
ca. 13-16%

Subformen:

  1. Myokardiale Form
  2. Rhythmologische Form
  3. Mechanische Form

Reduktion der effektiven kardialen (Pump)leistung

ad 1: Reduzierte Pumpfunktion 
bei Myokardinfarkt, diverse Kardiomyopathien, 
Myokarditis, toxische kardiale Wirkung 
(Pharmaka, Intoxikationen)

ad 2: Tachykarde Rhythmusstörungen 
(z.B. tachykardes Vorhofflimmern, ventrikuläre Tachykardie) 
oder bradykarde Rhythmusstörungen
(z.B. AV-Block II/III).

ad 3: Herzklappenerkrankungen
 (akut/chronisch),
 Flussbehinderung durch Thromben, Tumore

Obstruktiver Schock

Häufigkeit
ca. 1-2%

Subformen:

  1. Verminderte kardiale Vorlast
  2. Erhöhte kardiale Nachlast
  3. Kombiniert erhöhte rechts-ventrikuläre Nachlast + 
    verminderte linksventrikuläre Vorlast

Obstruktion großer Gefäße bzw. Herz

ad 1: Diastolische Füllungsbehinderung
z.B. durch Spannungspneumothorax, 
V. Cava Kompressionssyndrom,
Perikardtamponade, Beatmung mit (sehr) hohem PEEP

ad 2: Obstruktion der aortalen Strombahn
z.B. durch höhergrad. Aortenklappenstenose,
 Aortendissektion, Leriche-Syndrom

ad 3: Obstruktion Pulmonalgefäße
 (Lungenembolie) oder intrakardiale Raumforderungen

Mischformen

Verschiedene Schockformen sind erschwert einer klassischen Schockform zuzuordnen, z.B.:
toxische Schockzustände (klinisch wie kardiogene und/oder distributive Schockform)
endokriner Schock bei Addison-Krise oder bei thyreotoxischer Krise (klinisch a.e. kardiogen und/oder distributiv).

Kardiogener Schock

Komplexes Krankheitsbild, in der Früherkennung auch oft übersehen, hohe Letalität insb. bei verzögerter Diagnostik und Therapie: Frühzeitige Rücksprache und Zusammenarbeit mit Kardiologie und Intensivmedizin!

Klinische Formen des kardiogenen Schocks (vereinfacht):

  • "Klassiker": verminderte Pumpleistung, Hypotonie, Tachykardie
    → Typisch: Akuter Myokardinfarkt plus Hypotonie und/oder Perfusionsdefizit (z.B. Oligurie, verlängerte Rekap.-Zeit, hohes Laktat, Wesensveränderung)
  • „Spezialfall“: Normotensiver/kryptogener Schock (ca. 25% der Patient:innen): Periphere Vasokonstriktion bei reduziertem Herzzeitvolumen - deutlich erhöhte Nachlast belastet den linken Ventrikel zusätzlich. Schock mit Minderperfusion kann trotz MAP > 65mmHg / RRsyst > 90mmHg vorliegen!
Ursachen des kardiogenen Schock
  • Kardiogen
    • Okklusiver Myokardinfarkt (z.B. STEMI)
    • Postinfarktkomplikationen (hochgradige Mitralklappeninsuffizienz bei Papillarmuskelabriss, Ventrikelseptumruptur)
    • Herzrhythmusstörung (Brady- und Tachykardien)
    • (Akute) Vitien (hochgradige Mitralklappeninsuffizienz, hochgradige Aortenklappenstenose etc.)
    • Perikardtamponade
  • "Nicht kardiogen" (de facto eigene Schockformen)
    • Septische Kardiomyopathie (wichtig: Überschneidungen möglich bzw. gemeinsame Endstrecke: Patient:innen mit kardiogenem Schock können ein ausgeprägtes SIRS mit Multiorganversagen, Pat. mit Sepsis können eine septische Kardiomyopathie entwickeln)
    • Intoxikation mit Betablockern / Trizyklischen Antidepressiva / Calciumantagonisten
    • Lungenembolie
    • Pneumothorax

Checkliste Kardiogener Schock

  • Kontakt Kardiologie / Intensivmedizin → gemeinsame Absprache bei Therapie
    (falls keine Kardiologie verfügbar: Kontaktaufnahme nächstes Zentrum)
  • Diagnostik / Monitoring:
    • EKG (Tachykardie? Bradykardie? Ischämiezeichen?)
    • Labor (inkl. BGA/Laktat, Troponin, BNP, Nieren- und Leberwerte)
    • Arterielle Blutdruckmessung
    • Echokardiografie:
      • Orientierend / "Basis-Echo": Linksventrikuläre Pumpfunktion? Rechtsherzbelastung? Perikardtamponade? Infarktkomplikationen: neue Vitien? Ventrikelruptur?
      • Bei Erfahrung: Bestimmung Cardiac Index (CI) / Cardiac Power Index (CP), peripherer Widerstand (SVRI)
  • Therapie - Stabilisierung (Ziel ist kausale Therapie!)
    • Volumenchallenge erwägen (z.B. 200ml VEL iv.), zuvor ggf. Passive Leg Raise und/oder engmaschige Überwachung von Monitoring, vorher/nachher Echo (s. Volumentherapie oben)
    • Katecholamine (Ziel MAP 65-75mmHg, rückläufiges Laktat)
      s. Perfusoren
      • Vasopressor: Noradrenalin
        insb. bei peripherer Gefäßdilatation / hyperdynamen LV
      • Inotropikum: Dobutamin (alternativ z.B. Levosimendan)
        insb. bei eingeschränkter LV-EF
    • Frühzeitig invasive Beatmung erwägen
  • Therapie - Kausal
    • Primäres Ziel: Ursachenbehebung z.B. Revaskularisierung durch Herzkatheter, Therapie der Rhythmusstörung oder operative Revaskularisierung / Behandlung des Vitiums
    • Möglich keine / geringestmögliche Zeit-Verzögerung - ohne kausale Therapie ist kein positives Outcome zu erwarten!
Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Dutzmann, J. et al. Ethische Aspekte im Rahmen von extrakorporalen Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen (ECLS): Konsensuspapier der DGK, DGTHG und DGAI. Die Kardiologie 18, 353–364 (2024).
  • Riessen, R., Bulla, P., Mengel, A. & Kumle, B. Initiale Diagnostik und Therapie des Schocks. Med. Klin. - Intensiv. Notfallmedizin 1–9 (2024).
  • Perera, Y., Raitt, J., Poole, K., Metcalfe, D. & Lewinsohn, A. Non-invasive versus arterial pressure monitoring in the pre-hospital critical care environment: a paired comparison of concurrently recorded measurements. Scand. J. Trauma, Resusc. Emerg. Med. 32, 77 (2024).
  • DGTHG. S3-Leitlinie Extrakorporale Zirkulation (ECLS / ECMO), Einsatz bei Herz-und Kreislaufversagen. AWMF. (2020).
  • Fandler, M. & Gotthardt, P. Schock: Differenzialdiagnostik und Therapie in der Präklinik. Kardiologie up2date 16, 197–199 (2020).
  • DGK. S3-Leitlinie Infarktbedingter kardiogener Schock - Diagnose, Monitoring Therapie. AWMF (2019).
  • Standl, T. et al. The Nomenclature, Definition and Distinction of Types of Shock. Dtsch. Ärzteblatt Int. 115, 757–768 (2018).
  • Janssens, U. et al. Empfehlungen zum hämodynamischen Monitoring in der internistischen Intensivmedizin. Kardiologe 10, 149–169 (2016).
  • Seif, D., Perera, P., Mailhot, T., Riley, D. & Mandavia, D. Bedside Ultrasound in Resuscitation and the Rapid Ultrasound in Shock Protocol. Crit. Care Res. Pr. 2012, 503254 (2012).

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