Killer
- Akutes Aortensyndrom
- Akutes Koronarsyndrom
- Niereninfarkt, Milzinfarkt, Nierenvenenthrombose
Red Flags
- Abwehrspannung / „hartes“ Abdomen
- Tachykardie / Schock
- Fieber
- Vigilanzminderung
- Neurologische Ausfälle (auch intermittierende)
- Z.n. Nierenkolik: Andersartige Schmerzsymptomatik
Erste Schritte
- Anamnese + fokussierte klinische Untersuchung
- Hinweis auf Red Flags oder gefährliche Differenzialdiagnosen? (Aortensyndrom, akutes Abdomen, ACS)?
- Früher schon Nierensteine aufgetreten?
- Erhöhte Vortestwahrscheinlichkeit, wenn bereits Steine aufgetreten sind
- Falls Nierensteine bekannt: Schmerzen andersartig als bei früherem Auftreten?
- Risikokonstellation:
- Pat. >65 Jahre
- V.a. Nierenstein + Hypotonie (Pat. normalerweise schmerzbedingt hyperton)
- Adäquate Analgesie: Metamizol 1g iv. / NSAR, ggf. Opioide
- Urinstatus inkl. Schwangerschaftstest bei gefährfähigen ♀︎
- Labor inkl. Nieren-, Infektwerte
- Sonografie Nieren, Aorta
Tipps
Wichtige Differenzialdiagnosen bei Flankenschmerz:
- Nierenkolik / Urolithiasis (s.unten)
- Thorakale Ursachen, insb. Aortensyndrom, Pleuritis, Pneumonie
- Abdominelle Ursache, insb. Sigmadivertikulitis
- Rückenschmerz
- Niereninfarkt, Nierenvenenthrombose, Milzinfarkt (s.unten)
- ♀︎: Adnexitis, Ovarialzystenruptur/-blutung, Ovarialtorsion
Fokus Präklinik
- Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
- Erste Schritte, insb.:
- Klinische Untersuchung
- 12-Kanal-EKG
- Bei Verfügbarkeit: Sonografie - Nierenaufstau?
- Anamnese: Vor-OPs? Bekannte Nierensteine?
- Analgesie
- Transportziel:
- V.a. Nierenkolik: Urologie
- Unklare / diffuse Symptomatik: Klinik mit Urologie, optimal + Innere Medizin + Allgemeinchirurgie
Urolithiasis / Nierenkolik
Steinobstruktion meist an einer der drei Engstellen der Harnwege: Übergang Nierenbecken - Ureter, Kreuzung Ureter - Iliakalgefäße, Einmündung in Harnblase.
Überwiegend Männer im mittleren Alter betroffen. Genese sowie weitere Prognose ist abhängig der Steinzusammensetzung.
Symptomatik:
- Massive, kolikartigen Schmerzen (Schmerzen entstehen meist nicht durch Stein selbst, sondern durch Druckerhöhung im Nierenbeckenkelchsystem)
- Häufig sind Patient:innen unruhig und können nicht still liegen / sitzen
- Begleitende vegetative Symptomatik (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie)
- Schmerzlokalisation abhängig von der Steinlokalisation (Oberbauch bis in die Leistenregion / Genitalien ausstrahlend)
Checkliste V.a. Nierenkolik
- Urinstatus
- Mikrohämaturie (Hinweis pro Konkrement, allerdings kein Ausschluss eines Konkrements falls nicht vorliegend)
Labor
- Kreatininanstieg bei einseitiger Obstruktion und an sich gesunden Nieren nicht zu erwarten
- Bei Zeichen der akuten Nierenfunktionseinschränkung und / oder Hyperkaliämie: Symptomatische Therapie, sofortige Rücksprache Urologie!
- Ionisiertes Ca: Falls erhöht Parathormon + Vitamin D-Spiegel
- Harnsäure (akut ohne Konsequenzen, aber wichtig für Verlauf bzw. mögliche Entlassung in ambulante Versorgung)
- Sonografie
- Einseitiger Harnaufstau hinweisend
- Andere Konkremente / Stein im Ureter sichtbar?
- Immer auch Blick auf Aorta: Hinweis auf Aortensydrom / ggf. durch Aneurysma bedingter Harnaufstau
- Low Dose CT-Abdomen („Stein-CT”) ohne KM
- KM nur notwendig bei etwaigen anderen kritischen Differentialdiagnosen
- Darstellung von Komplikationen, Lokalisation und Größenbestimmung des Steins (wichtig für die Disposition und das weitere Prozedere)
- Symptomatische Therapie
- Analgesie: Metamizol 1g iv. / NSAR, ggf. Opioide
- Bei zusätzlichen Infektionsverdacht: Antibiose (s. Harnwegsinfektion)
- Spezifische Therapie:
- Spontaner Steinabgang unter symptomatischer Therapie möglich bei Konkrement <5 mm, distale Steinposition im Ureter
- Dauer zwischen 7 und 10 Tagen
- Empfehlung: ausreichende Trinkmenge und Bewegung (Treppenlaufen)
- ggf. Ergänzung um Tamsulosin 0,4mg /24h po. (off label)
- Ambulante Urologische Anbindung, Steinanalyse (wenn möglich)
- Typische Indikationen für urologische Intervention (meist DK Schienen, ggf. perkutane Nephrostomie):
- Stein >6 mm, irreguläre Oberfläche (Spikes)
- Nicht beherrschbare Schmerzen
- Hochgradiger Nierenaufstau durch nachgewiesenen Stein
- Urosepsis plus Stein
- Spontaner Steinabgang unter symptomatischer Therapie möglich bei Konkrement <5 mm, distale Steinposition im Ureter
Sonderfall Schwangere
- Nierensteine sind bei Schwangeren nicht selten (Inzidenz 1/1500)
- Symptome gleich wie bei Nicht-schwangeren Frauen (Flankenschmerzen und mögliche Hämaturie)
- Schwierigkeit: Nierenaufstau durch Schwangerschaft oder durch Steinleiden? Sonografische Beurteilbarkeit je nach Uterusstand oft eingeschränkt
- Prinzipiell ist Low-Dose-CT oder MRT möglich, sollte aber interdisziplinär besprochen werden
Milzinfarkt
Symptomatik:
- Meist akuter Flankenschmerz linksseitig), ev. Singulus (Zwerchfellreizung)
- Infektzeichen (v.a. bei infektiöser Ursache, s.u.)
Ursachen
- Endokarditis (typisch) bzw. andere schwere Infektionen (Pneumonie)
- Sichelzellerkrankung
- AV-Malformation
- Gerinnungsstörungen (z.B. Antiphospolipid-Syndrom)
Vorgehen
- Diagnostik: CT Abdomen mit Kontrastmittel
- Therapie:
- Behandlung der Grunderkrankung
- üblicherweise Antikoagulation bei kardioembolischer Ursache oder Gerinnungsstörung
- Bei Abszess fast immer OP / Splenektomie notwendig
Niereninfarkt
Symptomatik:
- Einseitiger Flankenschmerz (generell ähnlich wie Nierenkolik oder Pyelonephritis)
- Daran denken bei „V.a. Nierenkolik“ / Pyelonephritis ohne typischen Sono-/klinischen Befund und erhöhtem vaskulären Risiko / Z.n. gefäßchirurgischer OP
- Fieber, Übelkeit, Erbrechen
- ev. hypertensive Entgleisung
- Sonderfall: Akute Nierenfunktionseinschränkung nach gefäßchirurgischen Interventionen
Ursachen
- Vorhofflimmern
- Cholesterinembolisation (nach gefäßchirurgischen Interventionen)
- Plaqueruptur aortaler arteriosklerotischer Plaques
- In Situ Thrombus der A. renalis (pro-thrombotischer Zustand)
- Endokarditis
- Gerinnungsstörungen (z.B. Thrombophilie, Antiphospolipid-Syndrom)
Vorgehen
- Diagnostik:
- Urinstatus: Mikrohämaturie
- Labor: LDH Erhöhung, bei Cholesterinembolisation ggf. Eosinophilie, Leukozytose, (Hypo-Komplementämie)
- Nachweis via Duplex-Sonografie (falls verfügbar/kompetent), sonst CT+Kontrastmittel
- Suche nach weiteren Embolisationen (Haut, GI-Trakt, Augen, Gehirn)
- Therapie:
- Antikoagulation
- Symptomatische Therapie (Analgesie)
- In Einzelfällen (v.a. bei Komplettverschluss <6h, Arterien-Dissektion) ggf. interventionell-radiologische / gefäßchirurgische Intervention
Nierenvenenthrombose
Symptomatik:
- Einseitiger Flankenschmerz (linke Niere häufiger betroffen)
- Akute Nierenfunktionseinschränkung
- subfebrile Temperatur
- Hämaturie
- Übelkeit, Erbrechen
Ursachen und Risikofaktoren
- Endothelschäden (Homozystinurie, endovaskuläre Interventionen, chirurgische Eingriffe)
- Venöse Stase (in der Pädiatrie durch Dehydratation, Kompression oder „Kinking“ der Nierenvenen bei Retroperitonealfibrose (M. Ormond), abdominelle Neoplasien z.B. Nierenzellkarzinom)
- Gerinnungsstörungen (z.B. Antiphospholipid-Syndrom, Protein-C- / -S-Mangel)
- ev. im Rahmen von Lungenarterienembolien
Vorgehen
- Diagnostik
- Nachweis via Duplex-Sonografie (falls verfügbar/kompetent), sonst CT+Kontrastmittel
- Therapie
- Antikoagulation und Behandlung der Grunderkrankung
- lokale Lyse ggf. mit interventioneller Radiologie diskutieren
- Nephrektomie als Ultima Ratio
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Leitlinie Urolithiasis (AWMF 2019)
Literatur
- Suárez, V. SOP Leitsymptom Flankenschmerzen. Notaufnahme up2date 06, 13–19 (2024).
- Schmelz, H.-U., Sparwasser, C. & Weidner, W. Facharztwissen Urologie 3. Auflage. (Springer Medizin, 2023).
- Seitz, C. et al. S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Urol. 58, 1304–1312 (2019).
- Hofmockel, G. & Frohmüller, H. Ausgewählte urologische Notfälle. Dtsch Arztebl 99, 2780–2791 (2002).