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Killer

  • Sepsis
  • Hypoglykämie/Hyperglykämie
  • Intrakranielle Blutung
  • Zerebrale Ischämie (insb. A. basilaris!)
  • Intoxikation
  • Hyperkapnie
  • (Bakterielle) Meningitis

Red Flags

  • Vigilanzminderung plus
    • Schockzeichen (z.B. Marmorierung, Laktat↑, Rekap.↑)
    • Hypoxie
  • Fieber/Infektzeichen
    • Meningismus
  • Auffällige Atmung, z.B. Tachypnoe, Bradypnoe
  • (VP-) Shunt bei Hydrocephalus

Erste Schritte

  • Vorgehen nach ABCDE (frühzeitig Blutzucker messen!)
    • Fokus auf Atemweg: Esmarch-Handgriff, Absaugen, ggf. Seitenlagerung / Atemwegssicherung
  • Anamnese inkl.: Drogen/Alkohol, zeitlicher Verlauf (falls erhebbar)
  • Fokussierte Untersuchung inkl. fokussierter neurologischer Status sowie
    • Verletzungen: Traumafolgen (Sturz?)
    • Haut: Ödeme, Aszites? Petechien? Einstichstellen?
    • Mundraum: Erbrochenes? Zungenbiss? Auffälliger Geruch (Alkohol, Aceton)?
  • Labordiagnostik
    • Primär: vBGA: BZ, pH, CO2 , Natrium, Laktat, Hb
    • Blutbild, Elektrolyte, Niere, Entzündung, TSH, PTT/INR (+Anti-Xa bei DOAKs)
      • ggf. Leberwerte + Ammoniak bei bek. oder vermuteter Leberinsuffizienz
      • ggf. Toxikologie bei anamnestischem oder klinischem Verdacht (z.B. erhöhte Anionenlücke) - nicht "blind" abnehmen
      • CCT, ggf. + Angiografie bei unklarer Genese frühzeitig (nach Stabilisierung)

Tipps

  • Akut lebensbedrohlich ist primär Verlust von Schutzreflexen (Aspiration, Verlegung Atemweg): Esmarch-Handgriff, Absaugen, ggf. frühzeitig Intubation
  • Vigilanzminderung = quantitative Bewusstseinsstörung
    Einteilung:
    • Somnolenz (durch geringe Reize erweckbar)
    • Sopor (Reaktion nur auf starke (Schmerz-)Reize)
    • Koma (Bewusstlosigkeit)
  • Erst stabilisieren (insb. Atemweg sichern), dann Bildgebung: "Stabilisieren vor CTgrafieren“.

IMMER Alternativdiagnosen bedenken (z.B. Hyponatriämie und Hirnblutung)

  • Bei qualitativen Bewusstsseinsstörungen (Verwirrung, etc.) an Delir und Intoxikation denken! S. Intoxikation und Schwäche - Delir
  • Bei Vigilanzminderung / neurologischer Symptomatik und Thrombozytopenie/Anämie: An TMA denken! S. Labor-Thrombozytopenie
  • Falls Zustand rasch und vollständig reversibel: S. Synkope

Hypoglykämie

Definition: Niedriger Blutzucker (<50mg/dl / <2,8mmol/l) plus entsprechende Symptomatik

Checkliste Hypoglykämie + Vigilanzminderung

  • G40% 20-60ml iv. (8-24g Glukose) bei parallel schnell laufender Infusion zur Verdünnung der Glukose (Off-Label-Use); bei Bewusstlosigkeit mind. G40% 50ml iv. (20g Glukose)
    • bei kleinlumigen oder „unsicherem“ Zugang ggf. G20% 40-120ml iv. (8-24g Glucose)
    • - Falls kein iv.-/io.-Zugang möglich: Glukagon 1mg sc. oder im. (alternativ Glukagon 3mg in.)
  • V.a. chron. Alkoholabusus/Mangelernährung Thiamin 100mg iv.
  • Sobald Patient:in wieder wach & adäquat → Ursachensuche:
    • Insulinfehldosierung? Hypoglykämie unter oralen Antidiabetika?
    • Leber-/Multiorganversagen?
    • Unklare Ursache - Suizidversuch?
    • Begleitverletzungen?

Hyperglykämie (schwer)

Differenzierung zwischen Ketoazidose und Hyperosmolar-hyperglykämischem Syndrom nach Merkmalen in der Tabelle.
CAVE: Es gibt auch Mischbilder!

Ketoazidose

Hyperosmolar-
hyperglykämisches
Syndrom (HHS)

BZ und pH

  • Blutzucker meist
    400-700mg/dl / 22-39mmol/l
    (formal ab BZ >250mg/dl / 13,9mmol/l
    + Keton-Nachweis)
  • Sonderfall: "Euglykäme Ketoazidose" (s.u.)
  • Metabolische Azidose
  • Vergrößerte Anionenlücke
  • Blutzucker: >600mg/dl / 32mmol/l
  • Osmolarität >320mOsm/kg
  • Keine Ketonurie,
    keine Ketonämie

Anamnese

+

Klinik

  • Eher Typ I Diabetiker
  • Schneller Beginn
  • Verminderte Nahrungsaufnahme
    (Fasten / Gastroenteritis etc.)
  • Pseudoperitonismus, Erbrechen
  • Kompensatorische Hyperventilation
    (Kußmaulatmung - tiefe Atemzüge)
  • Eher Typ 2 Diabetiker, ältere Pat.
  • Beginn oft schleichend
    über Tage
  • Ausgeprägte Polyurie / Polydipsie
  • Exsikkose
  • Häufig auslösender Infekt
  • Keine Ketone in Urin oder Plasma
  • Die meisten Pat. sind nicht komatös

Pseudohyponatriämie (häufig bei Hyperglykämie):
Korrigiertes Natrium = Ca. 2mmol/l Natriumabfall pro 100mg/dl (5,6mmol/l) erhöhter Glukose.

Hyperosmolar-Hyperglykämisches Syndrom (HHS)

Checkliste Hyperosmolar-hyperglykämisches Syndrom

  • Volumentherapie: Initial VEL 15-20ml/kg/h iv.
    Unter Volumengabe fällt Blutzuckerspiegel meist adäquat ab.
  • Insulin ohne Nachweis von Ketonen meist initial nicht nötig.
  • BZ-Ziel: max. 50mg/h Abfall.

Auslöser für HHS: "4i"

  • Infektion
  • Ischämie (z.B. Myokardinfarkt, Mesenterialischämie, Schlaganfall)
  • Insulin non-compliance
  • Insuffizienz der Niere (oft akut auf chronisch)

Ketoazidose

Sonderfall „euglykäme Ketoazidose“: Ketoazidosen bereits bei geringer Hyperglykämie insb. in Kombination mit SGLT2-Inhibitor.

Checkliste Ketoazidose

CAVE: Ketoazidose auch bei DM Typ2 möglich!

  • Diagnostik: Venöse BGA, Ketone im Urin?
  • Insulin-Gabe (kurzwirksames Insulin), bis keine Ketone mehr nachweisbar sind
    • Kontinuierliches Insulin via Perfusor: 0,05-0,1 IE/kg/h iv.
    • BZ max. 50-100mg/dl (2,8-5,6mmol/l) pro Stunde senken, BZ-Ziel: 250mg/dl (13,9mmol/l) frühestens nach 24h
  • Volumen: VEL 10-15ml/kg in erster Stunde (pragmatisch: 1000-2000ml in erster Stunde, dann 250-500ml/h je nach Klinik)
  • Kalium frühzeitig substituieren (bereits wenn K+ < 5,5mmol/l )
    • z.B. KCl 40mval auf 1000ml VEL über 60min iv.
  • Natriumbicarbonat bei Azidose zurückhaltend - erst bei pH <7 erwägen; dann Ziel max. pH 7,1
  • CAVE: Zurückhaltende Intubation bei Vigilanzminderung, da eine schwere metabolische Azidose mit respiratorischer Kompensation vorliegt - bei Narkoseeinleitung „physiologisch schwieriger Atemweg“! Wenn Intubation unbedingt nötig: Möglichst kurze/keine Apnoephase, aktive Zwischenbeatmung, Beatmungsgerät vorab auf hohes Atemminutenvolumen einstellen und auf Reanimationssituation vorbereiten!

Hepatische Enzephalopathie

Verdachtsdiagnose bei Kombination aus Klinik, erhöhtem Ammoniak, Anamnese, Vorerkrankungen & Ausschluss Differenzialdiagnosen. Der Ammoniak-Spiegel allein ist ungenau und korreliert nicht mit der Klinik!

Checkliste Hepatische Enzephalopathie

  • Auslöser (Infektionen/spontanbakt. Peritonitis, GI-Blutung, etc.) suchen und behandeln
    • GI-Blutung + Leberzirrhose (= Risiko SPB): Prophylaktisch Ceftriaxon 2g iv.
  • Ammoniak bzw. Ammoniak-Synthese reduzieren:
    • Lactulose 10-30ml po./8h (ggf. auch Einläufe)
    • L-Ornithin-L-Aspartat 5g iv./6h (je über 1h) (Kontraindikation: Krea >3mg/dl!)
  • Mangelernährung/Vitaminmangel insb. Thiaminmangel im stationären Verlauf frühzeitig behandeln

Subarachnoidalblutung (SAB)

Primär oft massive Kopfschmerzen, meist als „Donnerschlagkopfschmerz“ (plötzliches Einsetzen von stärkstem Kopfschmerz), teilweise mit Meningismus, teils rasche Progredienz mit Bewusstseinsstörung. Diagnostisch CCT+CT-A.

Checkliste SAB

  • Stabilisierung Vitalparameter
  • Ziel-Blutdruck: MAP 60-90mmHg (jedenfalls RR systolisch <160mmHg)
  • Antagonisieren bestehender Antikoagulation
  • Nachweis/Lokalisation Aneurysma via CT-Angiografie
  • Therapie meist interventionell-radiologisch
  • Bei Vigilanzminderung frühzeitig Kontaktaufnahme Neurochirurgie (Akuteingriff, z.B. Ventrikeldrainage nötig?)

Intrazerebrale Blutung (ICB)

Je nach Lokalisation fokal-neurologisches Defizit (klinischer Verdacht auf Schlaganfall) bis zu Vigilanzminderung. Häufig initial massiv hypertensiv entgleist.

Checkliste ICB

  • Stabilisierung Vitalparameter
  • Ziel-Blutdruck: RR systolisch <160mmHg (jedoch nicht <110mmHg syst.)
  • Antagonisieren bestehender Antikoagulation
  • Kontaktaufnahme Neurochirurgie (Akute Hämatomentleerung/Ventrikeldrainage?)

Subduralhämatom (SDH)

Häufig Kopfschmerzen, evtl. fokal-neurologische Ausfälle, evtl. fokale und/oder generalisierte epileptische Anfälle. Nativ-CCT zur Diagnostik.

Meist traumatische Genese:

  • Akut 1-2d nach Trauma
  • Subakut 3-14d
  • Chronisch >14d)

Weiteres Vorgehen s. Schädelhirntrauma

Therapie bei akuter Vigilanzminderung analog zu ICB (s. oben), Rücksprache Neurochirurgie.

Enzephalitis/Meningitis

Entzündung des Gehirns und/oder der Hirnhäute. Kombination aus: Bewusstseinsstörung (Enzephalopathie), Fieber, häufig auch Meningismus, Photophobie + Kopfschmerz, häufig auch epileptische Anfälle.

Checkliste Enzephalitis/Meningitis

  • Differenzialdiagnostik: Anderer (Infekt-)Fokus? Liquorpunktion (frühzeitig!)
  • Bildgebung: Initial Nativ-CCT (frühzeitig MRT)
  • V.a. bakterielle (Meningo-)Enzephalitis:
    • Dexamethason 10mg iv., dann so schnell wie möglich Antibiose
    • Ceftriaxon 2g iv. + Ampicillin 4g iv. + bei DD virale (Meningo-)Enzephalitis: Aciclovir 10mg/kg iv. (in der Akutsituation ist virale Genese kaum auszuschließen) s. Antibiotika

Shuntdysfunktion

Bei Patient:innen mit Hydrocephalus (unterschiedliche Genese) kann mittels ventrikuloperitonealem Shunt (VP-Shunt) Liquor abgeleitet werden. Fehlfunktionen oder Infektionen können verschiedene, breite Symptome zeigen. Ventil (zur Einstellung) meist hinter dem Ohr.

Wichtig: Bei bestehendem Shunt an diesen als Ursache der Beschwerden denken!

Shunt-Infektion

  • Infektzeichen (Fieber, Schwäche)
  • Meningismus
  • Schmerzen im Shuntverlauf (insb. Ventil)

Shuntdysfunktion („Abflusshindernis“)

  • Kopfschmerz
  • Übelkeit, Erbrechen (typisch bei Abflusshindernis: morgens)
  • Allgemeine Schwäche und AZ-Minderung
  • Vigilanzminderung bis Koma

Checkliste V.a. Shunt-Problem

  • Nicht-Shunt-assoziierte Ursachen für Vigilanzminderung nicht übersehen: Blutzucker, zerebrale Blutung etc. (siehe "Erste Schritte" oben)
  • Labordiagnostik (Hinweis auf Infektion?)
  • CCT: Ventrikelweite im Vergleich zur letzten Voruntersuchung?
    • Falls Pat. nicht bekannt: Unbedingt Vorbefunde anfordern (oder an Zentrum verlegen)
  • Bei V.a. Fehllage/Diskonnektion ggf. Röntgen Shuntverlauf zur Lagekontrolle / Kontrolle Ventil
  • Frühzeitige Rücksprache mit Neurochirurgie

Weiterführende Literatur und Links

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DDG. S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. AWMF (2023).
  • Regner-Nelke, L., Ruck, T. & Meuth, S. G. Meningitis in der Notaufnahme. Notaufnahme up2date 05, 129–143 (2023).
  • Pfister, H.-W. & Klein, M. S2k Leitlinie Ambulant erworbene bakterielle Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter. AWMF (2023).
  • Erbguth, F. Bewusstseinsstörungen und Koma. DMW - Dtsch. Med. Wochenschr. 144, 867–875 (2019).
  • Petridis, A. K. et al. Aneurysmal Subarachnoid Hemorrhage. Dtsch. Ärzteblatt Int. 114, 226–236 (2017).
  • Steiner, K., Fandler, M., Zechner, P. & Sacherer, F. Unklare Bewusstseinsstörung. Notf. Rettungsmedizin 18, 346–356 (2015).
  • DGN. S1-Leitlinie Subarachnoidalblutung. AWMF (2012).

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