Killer
- Akutes Aortensyndrom
- Akutes Koronarsyndrom
- Mesenterialischämie
- Hohlorganperforation (insb. rupturierte EUG)
- Diabetische Ketoazidose (Pseudoperitonismus)
Red Flags
- Abwehrspannung / „hartes“ Abdomen
- Tachykardie / Schock
- Fieber
- Neurologische Ausfälle (auch intermittierende)
Erste Schritte
Fokus: Akut interventionspflichtige Erkrankung?
→ Vaskulär (Aortensyndrom, ACS, Mesenterialischämie) oder (Hohl-)Organperforation?
- Analgesie!
- Fokussierte Untersuchung (ganzes Abdomen + Leisten) + EKG
- Peritonismus? (Peritonismus + freie Flüssigkeit: Indikation für Notfall-OP)
- Schockzeichen/Kreislaufdysregulation?
- (intermittierende) fokalneurologische Defizite?
- Lokalisierter Schmerz? (auf Quadrant / Region beschränkt?)
- EKG: Ischämiezeichen?
- Fokussiertes Sono - immer in Kombination mit Klinik, u.a.:
- Freie abdominelle Flüssigkeit?
- Aorta Abdominalis >5cm oder Dissektionsmembran?
- Auffällige ileustypische Darmschlingen?
- Auffällige Gallenblase? Überlaufblase bzw. Nierenaufstau?
- Anamnese: Fokus auf abdominelle Vor-OPs, Vaskuläre Erkrankungen, Stuhlgang (verändert, Blut), Erbrechen, Gewichtsverlust, Schwangerschaft
- Labordiagnostik + BGA (Laktat, pH, BZ, K+), β-HCG bei gebährfähigen ♀
- Bei V.a. kritische Diagnose frühzeitig CT (insb. bei Älteren großzügig)
Tipps
- Frühzeitig Analgesie! Die Annahme, Analgesie verhindere die adäquate Untersuchung ist ein medizinischer Mythos, wissenschaftlich widerlegt und unethisch.
- Ein „akuter Bauch“ ist oft sehr dynamisch. Auch bei unauffälligem Labor und Sono: Wenn noch Beschwerden bestehen oder ungutes „Bauchgefühl“ bei dem/der Untersuchenden: (Kurz)stationäre Aufnahme, z.B. Beobachtungsstation mit Verlaufskontrolle klinisch und evtl. laborchemisch spätestens am Folgetag.
- Patient:innen mit Bauchschmerzen werden oft „von Abteilung zu Abteilung“ weitergereicht, viele der lebensbedrohlichen Ursachen von Bauchschmerzen sind nicht abdominell lokalisiert, sondern z.B. thorakal (Myokardinfarkt) → oft breite Diagnostik und „Blick über den Tellerrand“ nötig.
Differenzialdiagnosen
vereinfachte Übersicht

Gallenblase und Gallengänge
Checkliste Cholezystitis
- Kompliziert (Sepsis, Cholangitis, Abszess, Perforation): Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv., rasche OP
- Unkompliziert: Ceftriaxon 2g iv. + Metronidazol 500mg iv. siehe Antibiotika; Tendenz zu frühzeitiger OP binnen 24h
Tokyo Kriterien für Cholezystitis
Diagnose / Verdachtsdiagnose nach "typischer Trias"
→ A+B: V.a. Cholezystitis
→ A+B+C (Bildgebung): Diagnose Cholezystitis
- A: Lokale Entzündungszeichen (z.B. Murphy-Zeichen, lokaler Druckschmerz im rechten OB, Abwehrspannung, tastbare Masse im rechten OB)
- B: Systemische Entzündungszeichen (Fieber, Leukozyten↑, CRP↑)
- C: Bildgebung (typischer Befund z.B. in der Sonografie z.B: Wandverdickung, 3-Schichtung, und/oder Gallensteine)
Dann Einteilung nach Schwere der Verlaufsform
Komplizierte Cholezystitis / schwer(st)e Verlaufsform: ≥1 der folgenden Kriterien
- Schock/Katecholaminpflichtigkeit
- Vigilanzminderung
- Andere Organdysfunktion z.B.
- Niereninsuffizienz (Krea >2mg/dl, Oligurie)
- Leberinsuffizienz (INR >1,5)
- Thrombozytopenie < 100.000 /µl
- PaO2/FiO2 <300
Mäßig schwere Verlaufsform: ≥2 der folgenden Kriterien
- Leukozytose >18000/µl
- Tastbare schmerzhafte Masse im rechten Oberbauch
- Beschwerden >72h
- Relevante lokale Entzündungszeichen (gangrenöse Cholezystitis, pericholezystitischer Abszess, Leberabszess, biliäre Peritonitis, emphysematöse Cholezystitis)
Leichtgradige akute (unkomplizierte) Cholezystitis: Nicht mäßig schwer / schwer
Checkliste Choledocholithiasis
- Meist ERCP (ggf. direkt zuvor Endosono)
- Cholangitis? Typisches Trias:
- Fieber + Infektzeichen (Leukos, CRP↑)
- Cholestaseparameter↑
- Dilatierte Gallenwege
- Sono: DHC ≥7 mm (bei Z.n. CHE: ≥10mm), Konkrement, anderes Abflusshindernis
- Antibiose iv. wie Cholezystitis (siehe oben), meist zeitnahe Endoskopie, Schweregradeinteilung nach Tokyo Kriterien
Tokyo Kriterien für Cholangitis
Diagnose / Verdachtsdiagnose nach "typischer Trias"
→ 2 von 3: V.a. Cholangitis
→ 3 von 3: Cholangitis
- Fieber + Infektzeichen (Leukos, CRP↑)
- Cholestaseparameter↑
- Dilatierte Gallenwege
Dann Einteilung nach Schwere der Verlaufsform
Schwer(st)e Verlaufsform: ≥1 der folgenden Kriterien
- Schock/Katecholaminpflichtigkeit
- Vigilanzminderung
- Andere Organdysfunktion z.B.
- Niereninsuffizienz (Krea >2mg/dl, Oligurie)
- Leberinsuffizienz (INR >1,5)
- Thrombozytopenie < 100.000 /µl
- PaO2/FiO2 <300
Mäßig schwere Verlaufsform: ≥2 der folgenden Kriterien
- Fieber >39°C
- Leukozytose >12000/µl oder Leukopenie <4000/µl
- Alter >75 Jahre
- Bilirubin >5mg/dl
- Albumin <2g/l
Milde akute Verlaufsform: Nicht mäßig schwer / schwer
Appendizitis
Sono-Tipp: “Patient:in führt den Schallkopf zum Schmerzpunkt!”
Diagnostik: ALVARADO Score
Alvarado-Score
Hilfreich für Ausschluss einer akuten Appendizitis bei niedrigem Score, in der Praxis immer zusätzlich Sono.
- 1-4 Punkte: Wahrscheinlichkeit für Appendizitis <30%, ambulante Kontrolle möglich
- 5-6 Punkte: Stationäre Aufnahme empfohlen, Bildgebung
- ≥7 Punkte: Appendizitis liegt mit Wahrscheinlichkeit von bis zu 93% vor
1 Punkte pro Kriterium | 2 Punkte pro Kriterium |
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Antibiose: Ceftriaxon 2g iv. (oder Cefuroxim 1,5g iv.) + Metronidazol 500mg iv.
Unterscheidung unkomplizierte / komplizierte Appendizitis beeinflusst Dringlichkeit der OP
Unkompliziert | Kompliziert | |
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Merkmale | Inflammation ohne
|
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Therapie Risikopatient:in | OP innerhalb von 12h nach Diagnosestellung mit Single Shot Antibiose intraoperativ | Frühzeitige OP mit Fortführung Antibiose |
Therapie | Unter antibiotischer Abdeckung OP innerhalb von 12-24h |
Pankreatitis
Definition: Mind. 2 von 3 Kriterien:
- Typische (Oberbauch-) Schmerzen
- Serum-Lipase ≥ 3x Grenzwert
- Typischer Befund in Bildgebung (z.B. Sono, CT)
Checkliste Pankreatitis
- Diagnostik:
- Labor inkl. Leberwerte (Cholestase? Transaminasen?), Triglyceride, Calcium, Albumin
- Bildgebung: Primär Sonografie (CT erst nach einigen Tagen oder bei schwerem Verlauf sinnvoll)
- Risikostratifizierung: Einteilung/Einschätzung über BISAP oder HAPS Score
- Therapie:
- Volumengabe (individuell, initial meist 200-250ml/h)
- Analgesie (primär Opioide)
- Antibiose nur bei septischem Bild + V.a. infizierte Nekrose analog zu Peritonitis z.B. Meropenem 1g iv. siehe Antibiotika
- Biliäre Pankreatitis + Cholangitits/Choledocholithiasis → ERCP
- Stationäre Aufnahme
- bei schwerem Verlauf / Organversagen: ITS/IMC
Divertikelerkrankung/Divertikulitis
Risikofaktoren für komplikativen Verlauf:
- Risiko-Patient:in (Immunsuppression, Komorbidität, schlechter AZ, Fieber/Sepsiszeichen)
- Entzündungszeichen (CRP/Leukos↑)
- Medikamente (insb. Immunsuppressiva)
Checkliste Divertikulitis
- Diagnostik: Sono; bei Unklarheit/V.a. Perforation: CT (auf Koloskopie verzichten, Gefahr der sekundären Perforation)
- Akute unkomplizierte Divertikulitis (keine Perforation):
- Konservativ: Bei engmaschiger Verlaufskontrolle ambulant möglich
- Antibiose meist nicht nötig falls keine Risikofaktoren + engmaschige amb. Kontrolle.
- Bei Risikofaktoren: Stationäre Aufnahme vs. ambulante Antibiose po. (z.B. Amoxicillin/Clavulansäure 1.000mg) individuell einschätzen
- Komplizierte Divertikulitis (Abszess) oder stat. Therapie bei Risikofaktoren
- Stationär + Ceftriaxon 2g iv. + Metronidazol 500mg iv. siehe Antibiotika
- Akute Perforation: Antibiose + Notfall-OP (meist vorab CT)
Ileus
Ziel in der Notaufnahme: Ausschluss mechanischer Ileus. Paralytischer Ileus ist meist „Begleiterscheinung“ bei vielen akuten Abdomen/anderen Erkrankungen und Multimorbidität.
Checkliste Ileus
- Sono, dann frühzeitig bei Verdacht: CT + KM
- Allgemeintherapie:
- Analgesie
- Ausgleich von Elektrolytstörungen
- Volumengabe
- Patient:in nüchtern lassen
- Magensondenanlage insb. bei Erbrechen
- Antibiose iv. bei V.a. entzündliches Geschehen, V.a. Perforation, V.a. bereits erfolgte Aspiration z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. siehe Antibiotika
- Mechanischer Ileus: OP!
- Paralytischer Ileus (falls stabil, kein Hinweis auf Komplikation wie Perforation/ Sepsis, Ausschluss mechanischer Ileus): Medikamentöse Therapie
- Einläufe/Clysmen z.B. Natriumphosphat rektal
- ggf. Laxanzien (off-label, erst im Verlauf nach Versuch des Abführen „von unten“)
Obstipation / Koprostase / Meteorismus
Akut (< 3 Wochen) vs. Chronisch.
Red Flags:
- akutes Einsetzen
- Alter >50 J.
- Übelkeit/ Erbrechen
- rektaler Blutabgang
- GI-Tumore (auch familiär)
- Gewichtsverlust
Checkliste Koprostase
- Allgemeine Basismaßnahmen bei fehlenden Risikofaktoren: Flüssigkeit, Bewegung, Ballaststoffe und hausärztliche Weiterbehandlung/Verlaufskontrolle
- Bei nicht-ausreichender Wirkung der Basismaßnahmen:
- Obstipation ohne Entleerungsstörung („Verstopfung“): Laxantiengabe (sehr individuelle Dosierung, mit einer Substanz beginnen):
- Natriumpicosulfat 5-10mg (10-20 gtt) po. abends
- Bisacodyl 5mg po. abends
- Macrogol 1-2 Beutel/24h po. mit jeweils 125ml Wasser, anschließend 500-750ml Trinkmenge pro Beutel nötig!
- Obstipation ohne Entleerungsstörung („Verstopfung“): Laxantiengabe (sehr individuelle Dosierung, mit einer Substanz beginnen):
- Obstipation mit V.a. Entleerungsstörung: Initial Suppositorien/Klysmen (dauerhafte Gabe vermeiden, Gefahr von Elektrolytstörungen)
Dyspepsie
Differenzialdiagnosen erwägen! Oberbauchschmerz (v.a. bei Patientinnen): ACS erwägen!
Red Flags:
- Schmerzen beim Schlucken
- Dysphagie
- rezidivierendes Erbrechen
- GI-Blutung
- Ikterus
Checkliste Dyspepsie
- Empirische Therapie:
- PPI für 4 Wochen, dann ambulante Gastroskopie falls weiterhin Beschwerden (z.B. Pantoprazol 40mg/24h po.)
- alternativ “Watchful Waiting” (Beruhigung, Aufklärung)
- Bei Red Flags: Diagnostik nach Vermutung (z.B. Gastroskopie, Labor, Sono…)
Mesenterialischämie
Hohe Letalität, oft diffuse Beschwerden. Laktat schließt weder ein noch aus! Daran denken bei Vorhofflimmern, v.a. bei Erstdiagnose und/oder ohne Antikoagulation.
Checkliste Mesenterialischämie
- D-Dimere + BGA (Normwertige D-Dimere und BGA schließen mesenteriale Ischämie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus)
- Bei Verdacht: CT-Angiografie
- Nachweis + Peritonismus: Meist Notfall-Laparatomie
- Je nach Einteilung (okklusiv/nichtokklusiv): ggf. Antikoagulation, frühzeitig Rücksprache Gefäßchirurgie!
- Antibiose z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. siehe Antibiotika
Spontan Bakterielle Peritonitis (SBP)
Bei jeder Patient:in mit Aszites und red. AZ erwägen!
Typische Symptomatik:
- Leberzirrhose
- Bauchschmerzen
- Aszites.
Checkliste V.a. SBP
- Aszitespunktion: V.a. SPB bei >500 Leukozyten /µl siehe Interpretation Aszitespunktat
- V.a. SBP: Ceftriaxon 2g iv. siehe Antibiotika
Retroperitoneales Hämatom
Spontan (unter Antikoagulation) vs. iatrogen z.B. nach Anlage femoraler Gefäßkatheter, Punktion, postoperativ.
Hinweise: Hb-Abfall, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Schmerzen in der Leiste, Schmerzen bei Hüftbeugung, positives Psoaszeichen, oft Beinheberschwäche (einseitig)
Checkliste retroperitoneales Hämatom
- Sono (initial, oft gut darstellbar) - Nachweis/Ausschluss durch CT+Angiografie (Ausdehnung, Blutungsquelle, Interventionsmöglichkeit)
- Konservative Therapie: Transfusion, Aufhebung bestehender Antikoagulation
- Interventionell/operativ bei hämodynamischer Instabilität, Nervenirritation, Kompression von größeren Gefäßen oder Ureter, V.a. Infektion
Hernien
V.a. Inkarzeration: Hart, schmerzhaft oder Hautrötung → OP
Ev. kann eine Hernie mit etwas Entspannung und Analgesie gut reponiert werden; dann evtl. ambulante Verlaufskontrolle und elektive chirurgische Vorstellung möglich → Chirurgische Rücksprache!
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Leitlinie Pankreatitis (AWMF 2022)
- Leitlinie Divertikulitis (AWMF 2022)
- Leitlinie Refluxkrankheit (AWMF 2022)
- Leitlinie Appendizitis Erwachsene (AWMF 2021)
- Leitlinie Urolithiasis (AWMF 2019)
- Leitlinie Gallensteine (AWMF 2017)
Literatur
- Knapsis, A. & Süss, J. D. Das akute Aortensyndrom. Notaufnahme Up2date 05, 41–58 (2023).
- Böhm, L. & Fandler, M. Pankreatitis. Notaufnahme up2date 04, 325–329 (2022).
- Leifeld, L. et al. S3-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis. Z. für Gastroenterol. 60, 613–688 (2022).
- 1.DGVS. S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis. AWMF (2022).
- Beyer, G. et al. S3-Leitlinie Pankreatitis. Z. für Gastroenterol. 60, 419–521 (2022).
- Andric, M. et al. S1-Leitlinie Therapie der akuten Appendizitis bei Erwachsenen. AWMF (2021).
- Michael, M., Kleophas, A., Keitel, V., Flügen, G. & Bernhard, M. Vom Leitsymptom zur Diagnose: abdominelle Beschwerden. AINS - Anästhesiologie Intensiv. Notfallmedizin Schmerzther. 56, 448–458 (2021).
- Müller, G. Leitsymptom akuter Bauchschmerz. Notaufnahme up2date 2, 239–258 (2020).
- Seitz, C. et al. S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Urol. 58, 1304–1312 (2019).
- Gutt, C. et al. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. Z. für Gastroenterol. 56, 912–966 (2018).