Killer
- Arterieller Verschluss
- Lungenembolie (bei TVT)
- Sepsis
- Septisches Gelenk (septische Arthritis)
- Kompartmentsyndrom
Red Flags
- "Kaltes" Bein
- Fieber, Infekt- / Sepsiszeichen
- Tachykardie, Dyspnoe, Tachypnoe
- Akute Kraft- / und oder Sensibilitätsminderung
Erste Schritte
- Klinische Untersuchung (im Seitenvergleich):
- Rötung/Blässe
- Kühl/überwärmt
- Umfangsvermehrung
- Eintrittsstelle/Infektfokus
- Kürzlicher Eingriff oder Verletzung an Extremität?
- Frühere Thrombosen/bekannte Gerinnungsstörung?
- Hinweis auf Gefäßerkrankung: Z.n. Gefäß-OP, Stenting, Bypass, PTCA
Tipps
- Breite Genese von Extremitätenschmerzen. Primäre Fragestellung: Lokalisiertes Problem vs. ausstrahlender Schmerz?
- Gezielte Anamnese und Untersuchung - nicht nur auf die betroffene Extremität konzentrieren, sondern auch andere Ursachen bedenken!
- Immer auch kontralaterale Extremität untersuchen
- Entzündung oder Monoarthritis an der Extremität: Siehe lokale Entzündung
- Beinschmerzen bei ausstrahlendem Rückenschmerz: Siehe Rückenschmerz
Tiefe Beinvenenthrombose (TVT)
Tiefe Beinvenenthrombose - Hintergrund
Entstehung einer Thrombose (meist im Bein) durch Entzündung/Trauma des Gefäßendothels und/oder erhöhte Koagulabilität (bzw. genetische Faktoren) und/oder beeinträchtigtem Blutstrom. Durch Thrombose verminderter venöser Rückstrom bzw. lokale Stauung = Schwellung. Gefahr einer Lungenembolie, falls sich Teile des Thrombus lösen; bei PFO auch mögliche arterielle Embolie (Schlaganfall / mesenteriale Ischämie etc.).
Symptomatik:
- Umfangsvermehrung des Beins, Ödem
- Oft (Waden-)kompressionsschmerz
- Maximale Ausprägung: Livide / marmoriertes Bein ("Phlegmasia coerulea dolens") bei völligem Verschluss aller Venen
Checkliste TVT
- Risikoscore erheben (z.B. Wells-Score für TVT)
- <2 Punkte → D-Dimere → negativ = Ausschluss TVT
- D-Dimer Grenzwerte
Wells-Score 0 Pkt: 1000µg/l
Wells-Score 1-2 Pkt: 500µg/l
- D-Dimer Grenzwerte
- ≥2 Punkte oder D-Dimere positiv: 2-Punkt-Kompressionssonografie
- Details: Siehe Flowchart unten
- <2 Punkte → D-Dimere → negativ = Ausschluss TVT
- Nachweis TVT:
- Therapeutische Antikoagulation für 3-6 Monate
- Kompressionstherapie am betroffenen Bein (keine Immobilisierung)
- Kritisch evaluieren: Hinweis auf gleichzeitige Lungenembolie?
Sonderfälle
- Oberflächliche Thrombose:
- Kleine oberflächliche Thrombose: Lokale Kühlung, ggf. Stichinzision und Thrombusexzision
- Falls Thrombuslänge ≥5cm (Seitenast, Stammvene): Fondaparinux 2,5mg sc./24h für 30-45d
- Bei Annäherung ≤3cm an Mündungsklappe zum tiefen Venensystem:
- therapeutische Antikoagulation wie bei TVT
- ambulante Verlaufskontrolle in 7d
- Arm-/Schultervenenthrombose:
- Duplex-Sonografie
- therapeutische Antikoagulation für min. 3 Monate
- keine Kompression notwendig
- ggf. ambulante Gerinnungsdiagnostik (falls unklare Genese)
- Schwangerschaft:
- Vierfach erhöhtes Risiko für Thrombosen
- D-Dimere für Ausschluss nutzbar
- Bei Umfangsvermehrung >2cm → Sono, danach (auch wenn negativ) Verlaufskontrolle nach 7d
Flowchart tiefe Venenthrombose

(Grafik TVT angepasst nach TVT-Leitlinie 2023)
Wells-Score für TVT
Wells Score für TVT
Je ein Punkt für:
- Aktive Krebserkrankung
- Z.n. TVT
- Ödem (am betroffenen Bein)
- Unterschenkel umfangsvermehrt (>3cm vgl. anderes Bein)
- Ganzes (betroffenes) Bein geschwollen
- Schmerzen / tastbare Verhärtung entlang der tiefen Beinvenen
- Paralyse, Parese oder Immobilisation des betroffenen Beins
- Bettruhe >3d und/oder größere OP vor <4 Wochen
- Nicht-variköse oberflächliche Kollateralvenen
Abzug von zwei Punkten bei:
- Alternativdiagnose ist mindestens so wahrscheinlich wie TVT
D-Dimer Grenzwert
- 0 Punkte: D-Dimer-Grenzwert: 1000µg/l
- 1-2 Punkte: D-Dimer Grenzwert: 500µg/l
- ≥2 Punkte: Erhöhte klinische Wahrscheinlichkeit für TVT, auch negative D-Dimere nicht ausreichend für Ausschluss.
Arterieller Verschluss
Thrombembolischer Verschluss einer Arterie (meist untere Extremität), rasch auftretend. Häufig „typische Gefäßpatienten“. Zeitkritischer Notfall mit hoher Mortalität.
Symptomatik:
- Kardinalsymptome "6P": Paleness, pulselessness, paresthesia, paralysis, pain, prostration
- Bei länger bestehender Polyneuropathie, Sensibilitätsdefiziten (Z.n. Schlaganfall) oder Demenz teilweise keine Schmerzen bzw. Schmerzäußerung!
- „Leriche-Syndrom“ (Verschluss auf Höhe Aortenbifurkation): Obige Symptomatik bei beiden Beinen
Checkliste Arterieller Verschluss
- Klinik + Pulsstatus der Extremitäten im Vergleich (mit Dopplersonde auffindbar?)
- Sonografie: Abbruch der Perfusion / Verschluss darstellbar?
- Bildgebung: CT-Angiografie (alternativ Angiografie/DSA oder MR-Angiografie)
- Therapie:
- symptomatisch: Analgesie (meist Opioide notwendig), Tieflagerung/Polsterung
- Heparin 5.000IE iv. (bzw. 80IE/kg), therapeutische AK mit Heparin-Perfusor
- Gefäßchirurgische OP / radiologische Intervention (evtl. Lyse)
Kompartment-Syndrom
Kompartment-Syndrom Hintergrund
Erhöhter Druck in - durch Faszien steif abgeschlossenen - Kompartimenten der Extremität mit Versagen der Mikrozirkulation.
Typische Ursachen:
- Lokale Einblutung (Verletzung, postoperativ, spontane Einblutung z.B. bei OAK/TAH oder Gerinnungsstörung)
- Kompression (Gipsverband, lange Liegezeit auf Extremität)
→ Daran denken bei „Liegetrauma“, z.B. nach Wohnungsöffnung oder Substanzabusus und längerer Liegezeit.
Symptomatik:
- Pralle, druckschmerzhafte Extremität (bis zu Spannungsblasen)
- Starker Schmerz
- Eingeschränkte Motorik/Sensibilität
Checkliste V.a. Kompartmentsyndrom
- Diagnostik:
- Formal via "Perfusionsdruck": Diastolischer RR - intramuskulärer Druck
- Wenn <30mmHg: Gefahr Kompartmentsyndrom
- Je niedriger der diast. RR (z.B. im manifesten Schock), desto höher das Risiko
- Evtl. Pulsdefizit mittels Doppler (vgl. „gesunde“ Extremität) darstellbar
- Falls Messung nicht verfügbar: Bei obiger Symptomatik (insb. bei neurologischen Ausfällen) hochgradiger Verdacht!
- Formal via "Perfusionsdruck": Diastolischer RR - intramuskulärer Druck
- Therapie
- V.a. beginnendes Kompartmentsyndrom (ohne volle Ausprägung):
- Stationäre Aufnahme
- Konservativer Therapieversuch mit Kühlen, schonende Lagerung, NSAR
- Kompression vermeiden bzw. Entfernen von Kompression (Gips o.ä.)
- Unbedingt engmaschige Verlaufskontrolle
- V.a. Kompartmentsyndrom:
- Chirurgische Fasziotomie
- V.a. beginnendes Kompartmentsyndrom (ohne volle Ausprägung):
Restless-Legs Syndrom
V.a. nächtlich / abends auftretende Missempfindungen der Beine und Drang, die Beine zu bewegen, Besserung bei Bewegung. Bei Vorstellung in der Notaufnahme oft überlappende Symptomatik mit Polyneuropathie (Kribbelparästhesien, „Brennen" an den Beinen, Sensibilitätsreduktion).
Primäre Genese: Unklare Pathophysiologie
Sekundäre Genese u.a. bei:
- Eisenmangel, ev. auch bei Nieren-/Leberinsuffizienz (dann Therapie der Grunderkrankung)
- Medikamentös bedingt / verstärkt (z.B. SSRI, TCA, MCP)
- Im Rahmen von Schwangerschaft
Checkliste V.a. Restless-Legs Syndrom
- Meist keine stationäre Therapie nötig
- ambulante neurologische Vorstellung empfehlen
- In der Notaufnahme primär Evaluation gefährlicher Differenzialdiagnosen (fokalneurologisches Defizit / Schlaganfall, art. Verschluss (s.o.), Radikulopathie bei Rückenschmerz), ggf. Schwangerschaftstest
- ambulante Abarbeitung: Meist Eisensubstitution falls indiziert, Evaluation bestehender (ev. auslösender) Medikation, dann verschiedene Therapiemöglichkeiten (medikamentös u.a. NE-Dopaminagonisten)
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Leitlinie akute Gicht (AWMF 2023)
- Leitlinie Venenthrombose (AWMF 2023)
- Leitlinie Rötungen Unterschenkel (AWMF 2022)
- Leitlinie Restless-Legs-Syndrom (AWMF 2022)
Literatur
- DEGAM. S2e Leitlinie Diagnostik und Therapie der akuten Gicht. AWMF (2023).
- Linnemann, B. et al. Diagnostik und Therapie der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie – AWMF-S2k-Leitlinie. AWMF (2023).
- Knapsis, A. & Rembe, J.-D. Periphere arterielle Verschlusskrankheit. Notaufnahme up2date 04, 361–381 (2022).
- DGN. S2k-Leitlinie Restless Legs Syndrom. AWMF (2022).
- Zidane, M. et al. S1‐Leitlinie: Differenzialdiagnose akuter und chronischer Rötungen der Unterschenkel. JDDG: J. Dtsch. Dermatol. Ges. 20, 1041–1048 (2022).
- Wilke, P. Vom Leitsymptom zur Diagnose – Schmerzen im Bein. Notaufnahme up2date 03, 367–383 (2021).
- DGRh. S2e-Leitlinie Gichtarthritis. AWMF (2016).