Killer
- Meningokokken-Meninigitis / Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom
- Anaphylaxie
- Nekrotisierende Fasziitis
- Steven-Johnson-Syndrom / Toxische Epidermale Nekrolyse
- TTP / HUS (siehe Labor - Blutbild - Thrombozyten)
- Toxisches Schocksyndrom
Red Flags
Hautausschlag plus
- Schwere Allgemeinsymptome, Kritisch krank wirkend
- Hohes Fieber (v.a. bei Erwachsenen)
- Überproportionaler Schmerz
- Großflächige Erosionen (Haut, Schleimhaut) über 30% Körperoberfläche
- Großflächige Blasenbildung / "Abschälen" der Haut
- (Sehr) starke Schmerzen
- Sehr jung (kleine Kinder) oder alt (>65 J.)
- Immunsupprimiert (z.B. Transplantiert, Chemotherapie, HIV ohne Therapie)
- Petechien
- Erytheme / Infektionen im Gesicht / Befall der Augen
- Kürzlich neue Medikation (letzte Tage/Stunden)
Erste Schritte
- Fokussierte Anamnese + Untersuchung
- Neue Medikamente? (insb. Antibiotika, NSAR, Antikonvulsiva)
- Hautreaktion nach Insektenstich/Nahrungsmittel/Medikamente bzw. bek. Allergie?
- Reisen?
- Verletzung / Verbrennung / Verätzung?
- "Red Flags": (Fast) immer stationäre Aufnahme, dermatologische Rücksprache, Detail-Differenzierung oft nur mit mit dermatologischer Fachkenntnis, Diagnostik & längerer Beobachtung möglich
- Ziel: Herausfiltern, ob es sich um eine kutane Manifestation einer schweren Systemerkrankung handelt und ob ein “Organversagen” der Haut vorliegt (z.B. Temperaturregulation, Volumenregulation, mechanische Barriere / immunologische Abwehr)
- Kritisch Kranke
- Symptomatische Stabilisierung (Kreislaufstabilisierung bei Schock, Volumen- und Elektrolytausgleich)
- Aseptische Schutzkleidung für behandelndes Personal (Handschuhe, Mundschutz etc.) aufgrund fehlender Hautbarriere
- Allgemeine Therapie
- Eingenommen Medikamente prüfen, ggf. absetzen (vor allem Hochrisiko-Medikamente, s. unten)
- Symptomatische Therapie unklarer Ausschlag ohne Red Flags: Salbe (antifungal, antiinfektiös, steroidhaltig) 1x tgl. über 7-10 Tage
Tipps
- Foto-Dokumentation frühzeitig in digitaler Akte speichern, insb. bei stationärer Aufnahme (Verlauf!)
- Nutzung eines Bildatlas / Derma-Enzyklopädie kann sehr hilfreich sein
- Wann Isolation?
- Reiseanamnese und Fieber und neuen Hauterscheinungen
- Petechialen Einblutunge und Fieber (Meningitisverdacht)
- Bei offenen Bläschen: Isolation bei enoralem Befall (höchste Ansteckungsgefahr), ansonsten meist nicht notwendig.
- Nicht neben immunsupprimierte Patient:innen oder ohne Varizellenimmunisierung (pragmatisch: nicht in offenen Untersuchungsbereichen mit anderen Pat. unterbringen)
- Beschreibung / Begrifflichkeiten
- Eine (möglichst) korrekte und konkrete Beschreibung der Läsionen führt neben Respekt auch zu einer potentiell schnelleren Diagnose (und evtl. Übernahme) durch die Dermatologie.
Häufige Hautveränderungen in der Notaufnahme
- Erysipel/Phlegmone (lokalisierte Rötung, Überwärmung, teils mit Fieber)
- Herpes Zoster (dermatom-orientiert einseitige juckende, schmerzhafte Bläschen)
- Anaphylaxie (oft generalisierte Rötung, Urtikaria bis Schock)
- Ikterus (Gelbfärbung der Haut) - s. Labor - Leberwerte/Ikterus
- Lokalisierte Entzündung z.B. Gicht, Rötung Gelenk, Abszess
Akut bedrohliche Hautveränderungen
- Meningokokken-Meningitis („Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom“):
Meningitis, Fieber, Petechien (frühzeitig teils noch fehlend), siehe Vigilanzminderung - Meningitis - Stevens-Johnson-Syndrom / Toxische Epidermale Nekrolyse:
Großflächige Erytheme, dann ablösende / verschiebbare Haut; Dermatologisch-stationär, ab >30% Körperoberfläche: ITS/Verbrennungszentrum - Akutes, schweres Arzneimittelexanthem
Wenige Stunden bis einige Wochen nach Medikamenteneinnahme auftretendes Exanthem mit systemischer Symptomatik (red. AZ, evtl. Fieber): Dermatologisch-stationär - Nekrotisierende Fasziitis
Lokalisierte, rasch fortschreitende Weichteilinfektion, oft Hautblasen, stärkste Schmerzen, meist Fieber, kritisch kranker Eindruck. Bei geringstem Verdacht:- Sofort Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. + Clindamycin 600mg iv. (siehe Antibiotika)
- intensivmedizinische Versorgung; plastisch-chirurgische Rücksprache!
- Frühzeitig CT (im Sono evtl. Zeichen von Lufteinschlüssen)
- Staphylococcal-scalded-skin-Syndrom
V.a. kleine Kinder/Säuglinge, immunsupprimierte Erwachsene: Diffuses Erythem, dann Abschilferung der Haut, Pat. sehen aus „wie gepellt“ (Schleimhäute nicht betroffen): Stationär-dermatologische Therapie, Antibiose mit Flucloxacillin iv. 1g/8h - Thrombozytisch-thrombozytopene Purpura / Hämolytisch-urämisches Syndrom
Lokalisierte, dann konfluierende Einblutungen, meist mit systemischer Beteiligung, siehe auffälliger Laborwert - Niere - TMA - Toxisches Schocksyndrom
Großflächiges Erythem, schock-septisch wirkend. Febril. Oft Z.n. OP / großen Wunden. Therapie wie Sepsis
Allgemeines Vorgehen
Abseits Kritisch Kranker kommen auch viele Patient:innen mit nicht akut lebensbedrohlichen dermatologischen Erkrankungen in die Notaufnahme oder haben als Nebenfund dermatologische Veränderungen, auf die geachtet werden sollte.
Erweiterte Anamnese bei Hautveränderungen
- Entwicklung / Verlauf der Hautveränderungen
- Begleitsymptome (z.B. Schmerzen, Juckreiz)
- Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit etc.
- Neue Medikamente (insb. Antibiotika, NSAR, Antikonvulsiva)
- auch an Augentropfen denken!
- siehe "Hochrisiko-Medikamente" unten
- Vorerkrankungen bzw. Familienanamnese
- Autoimmunvorerkrankungen (Diabetes, Schilddrüse etc.)
- Atopische Dermatitis, Allergische Rhinitis, Allergisches Asthma bronchiale
- Trigger
- Insektenstich / Nahrungsmittel / neue Medikamente
- Sonnenexposition
- Verletzungen/ Verbrennungen/ Verätzungen
- Haustiere/ Tierkontakt
- Reisen
- Südamerika/Asien: Dengue-Fieber
- Amerika: Rocky Mountain Fleckfieber
- (aufgrund des Klimwandels werden ehemalige “Reiseerkrankungen” zunehmend endemisch)
- Umfeldanamnese (ähnliche Symptome im Umkreis/ in der Familie)
- Sexualverhalten / ungeschützter Geschlechtsverkehr
- Impfstatus
“Hochrisiko-Medikamente"
als potentielle Auslöser akuter Hauterkrankungen / Symptome
- Sulfonamide (Allopurinol)
- Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Valproat..)
- NSAR
- Amiodaron
- Antibiotika (Cotrimoxazol, Cephalosporine, Tetrazykline..)
- ACE Hemmer (ACE Hemmer induziertes Angioödem)
Körperliche Untersuchung mit Fokus "Haut"
- Immer die ganze Haut untersuchen
- Lokalisation/ Verteilung?
Stamm, Extremitäten, Hände/Füße (palmar / plantar) Hautfalten, Genitalbereich, Kopf, behaarte Haut / Hautanhangsgebilde, Schleimhaut ja / nein, primär sonnenexponierte Stellen? Symmetrisch / asymmetrisch? - Palpation (erhaben, nicht erhaben, knotig..)
- Hyper- / Hypopigmentierung?
- Unterscheidung Primär/ Sekundärläsion und Beschreibung (siehe unten)
- Zwischen den Schulterblättern ist die Region, die am schwierigsten erreicht wird. Daher bei Aussparung dieser Region an Sekundärläsion denken (z.B. Läsionen durch Kratzen)
- Bluten die Läsionen? Krusten? Hinweise auf sekundäre Infektion (nässende Wunden, weißlich, gelblich belegte Wunden)
- Sonografie insb. bei entzündlichen Weichteilinfektionen
- Form/Größe/Begrenzung/Perfusion dokumentieren
- Umschriebener Verhalt → Abzess?
- Gaseinschlüsse → Hinweis auf nekrotisierende Fasziitis?
- Ggf. Dermatoskop nutzen, wenn Gerät und Kentnisse vorhanden sind
- Blasenbildung
- Schlaffe Blasen? Pralle Blasen? Blasendach vorhanden? Bei nur sichtbaren Erosionen Patient immer nach vorheriger Blasenbildung fragen!
- Schleimhäute mitbetroffen? (Genital, Augen, Enoral)
- Blaseninhalt?
- Nikolski Phänomene?
- Nikolski Zeichen 1: Bei Reibung auf der Epidermis entstehen neue Blasen
(eher tiefere Spaltbildung der Haut, Blasen eher mit erhaltenen Blasendach, insgesamt schwerere Erkrankungen) - Nikolski Zeichen 2: Bei Druck auf der Blase wandert der Blaseninhalt seitlich innerhalb der Epidermis (oberflächigere Spaltbildung)
- Nikolski Zeichen 1: Bei Reibung auf der Epidermis entstehen neue Blasen
- Rötungen
- Wegdrückbar = Erythem
- Nicht wegdrückbar = Hämatom, Petechien
- Erhaben / Palpabel = Purpura
- Nicht erhaben = Hämatom, Petechien
- Dermographismus: “Kratzen” mit einem Mundspatel oder Finger
- “Normale Haut” wird nach ein paar Sekunden “rot” nach der mechanischen Reizung
- Weiß: Hinweis auf Atopie
- “Quaddelig” Hinweis auf Urtikaria
Begrifflichkeiten
Hautveränderung = „Effloreszenz“
Wichtige Primär- und Sekundäreffloreszenzen
Primäreffloreszenzen
- Im Hautniveau
- Fleck = Makula (umschriebene, nicht erhaben Stelle)
- Purpura: Kleinfleckige, nicht wegdrückbare Einblutungen
- Petechien: Punktuelle, nicht wegdrückbare Einblutungen
- Erhaben
- Knoten/Knötchen = Nodus (>1cm Durchmesser) / Papel (<1cm Durchmesser)
- Plaque: flächige, plattenartige Erhebung
- Bläschen/Blase = Vesikel / Bulla (mit Flüssigkeit gefüllt)
- Pustel = Pustula (mit Eiter gefüllt)
- Quaddel = Urtika (dermales Ödem, das zu Papel oder Plaque führt)
Wichtige Sekundäreffloreszenzen
(spätere Entwicklungsstufe oder von außen zugefügt)
- Erosion: Abschürfung innerhalb des Epithels (oberflächlich)
- Exkoration: Substanzverlust bis Dermis
- Ulkus: Tieferer Defekt bis in die Dermis, schlechte Heilungstendenz
Weitere Begrifflichkeiten
- Ekzem: Überbegriff für entzündliche Hauterkrankung, nicht infektiös, nicht ansteckend
- Erythem: flächenhafte Hautrötung, nicht erhaben
- Exanthem: großflächiger Hautausschlag
- Enanthem: flächige Rötung an der Schleimhaut
Hautfarbe - People of Colour
Lehrbücher und viele Artikel zu Hautveränderungen zeigen meist va. Beispielbilder mit weißer Hautfarbe. Um alle Patient:innen gleichwertig behandeln, sind Kenntnisse nötig, wie sich Veränderungen bei allen Hautfarben, insb. dunkler Haut („Fitzpatrick V, VI“) darstellen:
- Blässe: Besser sichtbar an den Handflächen (hier weniger Pigmentierung) oder Konjuktiven (unteres Lid herabziehen - (Schleim)haut beobachten) und an der Zunge.
- Zyanose: Zentral gut sichtbar an der Zunge (periphere Zyanose teils schwierig).
- Hämatome / Petechien: Oft deutlich subtiler, Frühstadium eines Hämatoms („Rötung“) oft kaum sichtbar = genauere Untersuchung nötig! Abschätzung "Alter" des Hämatoms noch schwieriger.
Zunehmend wird auch beschrieben, dass Pulsoxymetrie bei dunkler Haut schlechtere / ungenauere Ergebnisse ableitet! Bei unplausiblen Werten: frühzeitig aBGA.
Details und Bilder: „Mind The Gap“
Pat. mit bekannter dermatologischer Erkrankung
Allgemein:
- Keine “Cremes”einfach absetzen, Lokaltherapie ist bei dermatologischen Grunderkrankungen wichtig und sollte auch bei anderen Aufnahmegründen fortgesetzt werden
- Bei Exazerbationen bekannter dermatologischer Grunderkrankungen im Rahmen von stationären Aufenthalten (durch andere gesundheitliche Probleme): Frühzeitige dermatologische Vorstellung
Nebenwirkungen von Therapien aus der Dermatologie
Viele neue Therapieformen in der Dermatologie: Insbesondere Biologica / Antikörper mit entsprechendem Nebenwirkungsprofil. Siehe auch Sonderfall - Onkologische Pat.
Erysipel und Phlegmone
Erysipel: Meist scharf begrenzt; überwärmt, gerötet, teils mit Fieber.
Phlegmone: Einschmelzende, nekrotisierende Weichteilinfektion mit Beteiligung von Haus, Subkutis und ggf. Muskulatur: (Un)scharf begrenzt; überwärmt, gerötet, meist mit Fieber / systemischer Beeinträchtigung.
Checkliste Erysipel/Phlegmone
- Bei Extremitäten: Schonung, ggf. Ruhigstellung und lokale antiseptische Verbände
- Cave bei Erysipel Gesicht: Gefahr von Sinusvenenthrombose
- Kritisch krank wirkend + große, rasche Ausdehnung: DD Nekrotisierende Fasciitis!
- Erysipel: Penicillin G 10Mio IE iv.
- Phlegmone: Cefazolin 2g iv. (siehe Antibiotika)
Herpes Zoster
Infektiös - Isolation!
Gefährlich bei immunkompromittierten Patient:innen (z.B. HIV): „Disseminiertes“ generalisiertes Auftreten möglich, ebenso Organbeteiligung (bsp. pulmonal, Enzephalitis).
Bei Zoster ophthalmicus (+ Stirn/Nase (Nasenspitze und Mundwinkel!)/okuläre Beteiligung) - immer augenärztliche Mitbetreuung, stationäre Aufnahme.
Checkliste Herpes Zoster
- Analgesie mit NSAR, Paracetamol, Metamizol ggf. Eskalation auf Opioide z.B. Tilidin 100mg/12h po.
- Neuropathischer Schmerz: Gabapentin 100mg/8h po. (alle 3d steigern)
- Leichter Verlauf (lokalisiert, keine starken Schmerzen), sonst gesund: Meist ambulant möglich; Aciclovir 800mg/5h po. (7d)
- Alternativ: Valaciclovir 1g/8h iv. (7d); GFR 15-30: 1g/12h iv.
- Nierenfunktionseinschränkung: Brivudin 125mg/24h po. (7d)
- Schwerer Verlauf (intrakranielle Beteiligung, Immunkompromittierte, disseminiert/generalisiert, hämorrhagische/nekrotisierte Läsionen, Zoster ophthalmicus):
- Aciclovir 5-10mg/kg/8h iv.
(eher 5mg/kg bei immunkompetenten, 10mg/kg bei immunkomprimmitierten Pat.)
- Aciclovir 5-10mg/kg/8h iv.
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- RCEM Learning Dermatological Examination (RCEM 2023)
- Mind the Gap. Signs and symptoms in black & brown skin (Mind the Gap)
Literatur
- Zuberbier, T. et al. The international EAACI/GA2LEN/EuroGuiDerm/APAAACI guideline for the definition, classification, diagnosis, and management of urticaria. Allergy 77, 734–766 (2022).
- Ständer, S. et al. S2k Leitlinie: Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. JDDG: J. Dtsch. Dermatol. Ges. 20, 1386–1402 (2022).
- Zidane, M. et al. S1‐Leitlinie: Differenzialdiagnose akuter und chronischer Rötungen der Unterschenkel. JDDG: J. Dtsch. Dermatol. Ges. 20, 1041–1048 (2022).
- Reichel, A., Röding, K., Stoevesandt, J. & Trautmann, A. De‐labelling antibiotic allergy through five key questions. Clin. Exp. Allergy 50, 532–535 (2020).
- Schöfer, H. et al. Diagnostik und Therapie der Syphilis. Hautarzt 71, 969–999 (2020).
- Gross, G. E. et al. S2k‐Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie. JDDG: J. Dtsch. Dermatol. Ges. 18, 55–79 (2020).
- Mukwende, M., Tamony, P. & Turner, M. Mind the gap - a handbook of clinical signs in black and brown skin. (2020).
- DSTIG. S2k-Leitlinie Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik und Therapie. AWMF (2018).