Killer
- Intra- / postpartale Blutung (Uterusatonie)
- Fruchtwasserembolie
- Hypothermie des Neugeborenen
Red Flags
Wann ist keine Verlegung in Kreißsaal mehr möglich?
- Geburt unmittelbar bevorstehend:
- Wehen können kaum noch veratmet werden
- After klafft
- Kindskopf sichtbar/Presswehen
→ Keine Verlegung mehr, Team und Patientin auf unmittelbare Geburt vorbereiten,
Geburtshilfe / Hebamme notfallmäßig hinzuziehen
Erste Schritte
- Vorbereitung
- Großlumiger iv.-Zugang, Notfallequipment für Erwachsene/Kinder bereitstellen; Versorgungsplatz Neugeborenes (s. unten) vorbereiten
- Raum aufwärmen (Fenster schließen, Heizung an), ruhige Atmosphäre schaffen
- Abnabelungsset (zwei (Nabel-)Klemmen und eine (Nabel-)Schere) und warme, trockene Tücher vorbereiten
- Geburt
- Heraustreten des Kindskopfes vorsichtig mit der Hand bremsen
- Je nach Geburtsposition Kind auf-/abfangen
- Wenn Kind entbunden ist: APGAR-Uhr starten
- Nierenschale unter Gesäß (Blutverlust überwachen)
- Neugeborenen-Versorgung
- Nabelklemmen (2) ca. 10cm (Handbreite) vom Kindsnabel entfernt ansetzen, Nabelschnur zwischen Klemmen durchtrennen
- Kind abtrocken/abrubbeln, Wärmeverlust beachten / Wärmeerhalt!
- Wenn vital/rosig → auf Oberkörper der Mutter legen
- APGAR-Score erheben (s. unten)
- Details siehe Neugeborenenversorgung
Tipps
Der Geburtsablauf verläuft in drei Phasen, allerdings kann die jeweilige Dauer stark variieren. Allgemein gilt (grob), dass Erstgebärende länger in den einzelnen Phasen verbleiben, Mehrgebärende teils nur sehr kurz.
Wenn eine Geburt so rapide verläuft, dass sie innerhalb der Notaufnahme / am Einsatzort stattfinden muss, ist in den seltensten Fällen von der Notwendigkeit geburtshilflicher Maßnahmen während der Austreibungsphase auszugehen.
Die Phasen der Geburt
Eröffnungsphase:
- Durch regelmäßige Wehen wird der Kindskopf in den Beckeneingang geschoben
- Muttermund eröffnet sich (vollständig eröffnet bei 10cm)
- Ggf. leichte Zeichnungsblutung vaginal
- Blasensprung findet statt
Austreibungsphase:
- Austreibungswehen drücken das Kind durch das Becken
- Wehenabstände liegen meist <2min, die Schwangere „drückt mit“ und kann die Wehen auch auf Aufforderung nicht mehr veratmen
- Bei Schädellage schneidet zunächst der Kopf ein (wird sichtbar in der Vulva), durchschneidet dann die Vulva, bleibt also während der Wehenpause sichtbar
- Nach Geburt des Kopfes tritt häufig eine kurze Pause ein
- Kopf dreht sich zur Seite, in der nächsten Wehe wird der Kindskörper geboren
Nachgeburtsperiode:
- Durch Nachgeburtswehen wird innerhalb von etwa 30min die Plazenta geboren
- Die Lösung der Plazenta geht mit etwa 300ml Blutverlust einher (vermehrte Blutung: V.a. postpartale Blutung
Fokus Präklinik
- Mutterpass immer mitnehmen!
- Anamnese
- Wehentätigkeit: Beginn und Frequenz
- Blasensprung? (Zeitpunkt)
- Farbe des Fruchtwassers (klar oder verfärbt)
- Blutung?
- Schwangerschaft:
- Schwangerschaftswoche
- Erstes Kind?
- Einling / Mehrling
- Lage des Kindes bekannt?
- Komplikationen (Plazenta Praevia etc.)
- Wehentätigkeit: Beginn und Frequenz
- Indikation für Geburt vor Ort bei sichtbarem Kopf: Verstärkung anfordern + Versorgung Neugeborenes (inkl. Versorgungsplatz) vorbereiten.
- Transport unter Wehen:
- Bei Wehen + normalem Geburtstermin: Lagerung nach Pat.wunsch
- Unbedingt liegend transportieren („kein Schritt mehr gehen“) bei:
- Blasensprung, wenn Kopf nicht im Becken fest sitzt (wissen oft die Pat.)
- Nabelschnurvorfall (dann Beckenhochlagerung!)
- Blutung
- Tokolyse (s.u.) bei:
- Nabelschnurvorfall
- Geburtsunmögliche Lage
- Transportziel: Kreißsaal (wenn <37.SSW möglichst Klinik mit Neonatologie)
- unbedingt Vorankündigung!
Geburt
Checkliste Geburt
- Nach Abschluss der Vorbereitungen (s. erste Schritte) für Ruhe sorgen
- Gebärende in einer für sie angenehmen Position belassen (keine "Zwangslagerung")
- Sobald der Kindskopf in der Vulva sichtbar wird, vorsichtig mit der Hand Gegendruck aufbauen (Kopfbremse zum Dammschutz)
- Nach Kopfgeburt die Hände sanft auf Höhe der Kindsohren legen
- Physiologische Seitwärtsdrehung begleiten
- Dann den Kopf behutsam dammwärts führen
- Geburtskomplikationen s. unten
- Nach vollständiger Kindsgeburt → Abnabeln
- Vitale Kinder nach 1 min abnabeln, leblose/schlaffe Kinder sofort!
- Zwei Nabelklemmen mind. 10cm vom Kindsnabel entfernt setzen, dann Nabelschnur zwischen Klemmen durchtrennen
- Geburtszeitpunkt notieren
- Nach Abnabeln für Mutter Oxytocin 3-5IE langsam iv. applizieren
- Kind abtrocknen und mit trockenen Tüchern abreiben. In warme Tücher einwickeln, sobald das Kind vital wirkt und schreit
- APGAR Score (s. unten) erheben
- Nachgeburt abwarten
- Blutverlust evaluieren (Nierenschale zum Auffangen unter Gesäß legen)
- Plazenta auf Vollständigkeit beurteilen und für Gynäkologie / Hebamme aufbewahren
Neugeborenen-Versorgung
- Unbedingt Wärmeerhalt beachten!
- Auch bei avitalen Neugeborenen ist Stimulation (und ev. Beatmung) meist ausreichend, Reanimation oder Medikamentengabe sind sehr selten notwendig
- Details siehe Neugeborenenversorgung
- Bei notwendiger Reanimation siehe Neugeborenenreanimation
Geburt + Neugeborenenversorgung - Ablauf
Vorbereitung bei laufender Geburt
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Geburt Kind abtrocknen, in trockene/warme Tücher wickeln. Zeit notieren. | Mutter Postpartale |
Evaluation Kind schlaff, blass, "leblos"? → 10cm vom Bauch abnabeln | |
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Reevaluation Herzfrequenz >60/min.? Hebt sich der Brustkorb? Wenn nicht: | |
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Reevaluation Herzfrequenz weiter <60/min.? → Reanimation 3:1 | |
ABC der Neugeborenen-CPR
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Reevaluation alle 30sek. → WÄRMEERHALT! |
APGAR
APGAR Score | 0 Punkte | 1 Punkte | 2 Punkte |
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Aussehen | blass / blau | Stamm rosig, | rosig |
Puls | kein Puls | < 100/min | > 100/min |
Gesicht/Grimasse | keine | grimassieren | Schreien |
Aktivität | schlaff | träge Flexions-Bewegung | spontan gute Bewegung |
Respiration (Atmung) | keine | Unregelmäßig / | Regelmäßig |
Geburtskomplikationen - Fehllagen
Beckenendlage
Die nachfolgenden Manöver und Vorgehensweisen sollten nur als Ultima Ratio angewandt werden - die Spontangeburt bei Beckenendlage geht insb. ohne qualifizierte Geburtshilfe mit einer deutlich erhöhten Komplikationsrate einher!
Hintergrund
Die Beckenendlage zum Geburtstermin kommt bei etwa 3% aller Geburten vor. Eine vaginale Entbindung ist möglich, stellt aber einen Spezialfall der Geburtshilfe dar.
Bei bekannter Beckenendlage sollte in jedem Fall eine Verlegung in den nächsten Kreisssaal, ggf. unter medikamentöser Wehenhemmung versucht werden.
Risiken:
- Nach Geburt des Körpers kommt es zwangsläufig zu einer Kompression der Nabelschnur während der Kopfgeburt, daher sollte diese Phase möglichst kurz gehalten werden
- Durch Hochschlagen der Arme kann die Geburt deutlich erschwert und das Kind im Rahmen von Armlösemanövern verletzt werden.
Checkliste Beckenendlage
- Geburt optimalerweise im Vierfüßlerstand
- Nach Erscheinen der kindlichen Hüfte in der Vulva → Kind zurückhalten
- Steiß des Kindes zurückhalten bis ein maximaler Druck für eine schnellstmögliche Geburt aufgebaut ist
- KEINESFALLS am Körper des Kindes ziehen (Arme können nach oben umschlagen und Geburt unmöglich machen)
- Nach Sichtbarwerden der Schulterblätter → Kind in Richtung Bauch der Mutter führen, der Kopf wird so um die Symphyse herum geboren (Manualhilfe nach Bracht)
Manöver nach Bracht
Schulterdystokie
Fehlende Rotation der kindlichen Schulter bei Eintreten ins kleine Becken und folglich Hängenbleiben auf Höhe der Symphyse.
Erkennen: Kindskopf zieht sich nach Geburt wieder ein Stück zurück und verharrt „aufgepresst“ auf der Vulva ("Schildkrötenphänomen")
Hintergrund
Inzidenz liegt bei etwa 0,5% aller Geburten. Wesentlicher Risikofaktor für eine Schulterdystokie ist die kindliche Makrosomie (>4500g Geburtsgewicht).
Bei vermuteter Schulterdystokie sollten umgehend Lagerungsmanöver eingeleitet werden, um eine Asphyxie des Feten zu verhindern
Checkliste Schulterdystokie
- McRoberts Manöver
- Lagerung der Mutter in Rückenlage
- Maximale Flexion und Extension der mütterlichen Beine im Wechsel (Beugung/Streckung der Hüfte) - insgesamt dreimal durchführen!
- Lagerung der Mutter in Rückenlage
- Bei Persistenz umgehende Lagerung in den Vierfüßlerstand, dann ausgeprägtes Beugen und Strecken der Hüfte
McRoberts Manöver
Nabelschnurvorfall
Durch Vorfall und folglich Einklemmen der Nabelschnur zwischen Kind und Geburtskanal, nach geplatzter Fruchtblase, kommt es zur Minderversorgung des Feten.
Erkennen: Nach Blasensprung sichtbare oder tastbare Teile der Nabelschnur in der Vagina
Hintergrund
Auftreten bei ca. 0,5% aller Geburten
Risikofaktoren:
- Mehrlingsgeburt
- Frühgeburt
- Polyhydramnion
- Querlage
Checkliste Nabelschnurvorfall
- Umgehendes „hochdrücken“ des Kindes in das Becken
- Hand in mütterliche Vagina einführen, Kind bis zur Notsectio manuell zurückdrücken
- Manuelles Reponieren der Nabelschnur seltenst möglich
- Beckenhochlagerung
- Tokolyse und schnellstmögliche Notsectio
Intra-/postpartale Blutung
Blutungen während und nach der Geburt sind meist Folge einer Uterusatonie, Geburtsverletzungen führen seltener zu relevantem Blutverlust.
Ab Blutverlust von 500ml (“eine volle Nierenschale”) nach vaginaler Geburt: V.a. postpartale Blutung (meist unmittelbar bzw. bis zu 4h nach Geburt) → Geburtshilfe alarmieren, vital bedrohlicher Notfall!
Checkliste postpartale Blutung
- Oxytocin 3-5IE iv. über >1min., dann Oxytocin 25IE in VEL 500ml iv. lösen und über 30min langsam tropfen lassen
- Weitere medikamentöse Therapie (z.B. Sulproston 500µg in 500ml Infusion: 3 min mit 500ml/h, dann 7 min mit 100ml/h, dann weiter mit 10-20ml/h) nach Rücksprache / durch Gynäkologie
- Tranexamsäure 1g iv., weitere Gerinnungstherapie und Transfusion nach Klinik (frühzeitig Notfall-Transfusion vorbereiten!)
- Uteruskontraktion stimulieren
- Entleerung der Blase mittels Dauerkatheter
- Credé-Handgriff (Halten und Kompression des Uterus durch die Bauchdecke)
- Notfalls: Hamilton-Handgriff (Faust wird durch die Vagina gegen den Uterus gedrückt, gleichzeitig Gegendruck mit der zweiten Hand über Credé-Handgriff)
- adäquate Analgosedierung nötig
Uterusruptur
(Partielles) Einreißen des Uterus insb. nach vorherigen Operationen (Sectio) oder erhöhter Kontrakur z.B. unter Weheneinleitung.
Typische Symptome:
- Drohende Ruptur:
- Zunahme der Wehentätigkeit (Wehensturm)
- Massive Wehenschmerzen
- Geburtsstillstand
- Unruhe/Angst der Mutter (fehlende Entspannung in der Wehenpause)
- Eingetretene Ruptur
- Stärkster Schmerz mit plötzlichem Nachlassen des Schmerzes
- Vaginale/intraabdominelle Blutung
- fetale Asphyxie im CTG
Checkliste (V.a.) Uterusruptur
- Drohende Ruptur: Schnellstmögliche Sectio organisieren, umgehend und frühzeitig Geburtshilfe einbinden!
- Eingetretene Uterusruptur: Notfall-Laparotomie vorbereiten (in mind. 25% der Fälle Hysterektomie notwendig)
- Schockbehandlung inkl. Katecholamingabe, Notfalltransfusion und Gerinnungstherapie
CAVE: Eine Uterusruptur kann auch asymptomatisch verlaufen, bei plötzlich instabilem Kreislauf unter/nach Geburt immer an Uterusruptur denken!
Fruchtwasserembolie
Übertritt von Fruchtwasser in den mütterlichen Blutkreislauf (über Wundflächen/ Venen). Selten, aber sehr hohe mütterliche Sterblichkeit.
Erkennen - V.a. Fruchtwasserembolie:
- Plötzliches und progredientes Kreislaufversagen der Mutter während/unmittelbar nach Geburt
- akutes Rechtsherzversagen in Sono
- DIC bzw. Hyperfibrinolyse bei diffuser Blutung aus Wundflächen
Checkliste Fruchtwasserembolie
- Schockbehandlung und Management der akuten Blutung
- Bei präpartalem Auftreten: umgehende Notsectio (auch unter Reanimation)
- vaECMO (ECLS) bei Mutter erwägen
Tokolyse (Wehenhemmung)
Die reine Angst vor einer Geburt innerhalb der Notaufnahme ist keine Indikation zur Tokolyse. Bei akuter fetaler Gefährdung kann eine Tokolyse die Geburt und damit die Rettung des Feten verhindern, Tokolyse ohne CTG nur in Ausnahmefällen.
Hier Besprechung der akuten Notfall-Tokolyse bei vitaler Indikation (z.B. Nabelschnurvorfall); "allgemeine" Tokolyse und Wahl des Präparats (ggf. andere Präparate zielführender) klar Aufgabenbereich Geburtshilfe.
Checkliste Tokolyse
- Indikation? (wenn möglich Rücksprache Geburtshilfe):
- Gefahr für Kind oder Mutter durch Wehentätigkeit (insb. Nabelschnurvorfall)
- Vermeidung Hochrisikogeburt (Frühgeburt, Beckenendlage, Mehrlingsgeburt)
- Fenoterol (z.B. Partusisten® ) 0,5mg in 500ml VEL iv. (ca. 1µg/ml) langsam tropfend bis zum Wirkeintritt (NW: Tachykardie/Hypotonie, kardiale Dekompensation)
- Alternativ/off-label: Salbutamol dauerhaft vernebeln bis zum Wirkeintritt (NW: Tachykardie)
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Obstetric Emergencies in Nonobstetric Settings (ACOG 2024)
- Postpartum haemorrhage, inkl. Video (Life in the Fast Lane 2024)
- Nerdfall präklinische Frühgeburt (Nerdfallmedizin 2023)
- Leitlinie Peripartale Blutungen (AWMF 2022)
- Leitlinie "Newborn Life Support" (ERC 2021)
- Vorbereitung "Storchennest" und Neugeborenen-Versorgung Basics (Nerdfallmedizin 2019)
- Geburtshilfe im Rettungsdienst Anamnese/Untersuchung und "Das Kind kommt!" (Nerdfallmedizin 2017)
Literatur
- Hottenbacher, L. & Mangler, M. Notfälle in der Schwangerschaft und Notfallgeburt. Notaufnahme up2date 06, 289–312 (2024).
- Ajiri, R. & Eifinger, F. Erstversorgung von Neugeborenen in der Zentralen Notaufnahme. Notaufnahme up2date 05, 249–269 (2023).
- Massoth, C. et al. Postpartale Hämorrhagie. AINS - Anästhesiologie Intensiv. Notfallmedizin Schmerzther. 58, 583–597 (2023).
- Strauss, A. Algorithmus GEBABCDE - ungeplant außerklinische Geburtshilfe. gynäkologie geburtshilfe 28, 30–33 (2023).
- DGGG, OEGGG & SGGG. S2k-Leitlinie Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie. AWMF (2022).
- Madar, J. et al. Versorgung und Reanimation des Neugeborenen nach der Geburt. Notf. Rettungsmedizin 24, 603–649 (2021).
- DGGG & DGHW. S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin. AWMF (2020).