Killer
- Sepsis
- Intoxikation mit Medikamenten/Alkohol
- Myokardinfarkt (auch subakut)
- Bradykarde / tachykarde Rhythmusstörung
- Hyponatriämie (schwer)
- Hyperkaliämie / Hypokaliämie (schwer)
Red Flags
- (Neue) EKG-Veränderungen
- Tachypnoe
- Sepsiszeichen, z.B. Fieber
- Fokalneurologisches Defizit
- Neu aufgetretene allgemeine Muskelschwäche insb. bei:
- Schluckstörung/Heiserkeit
- Kopf aus dem Liegen nicht gegen Widerstand anhebbar
Erste Schritte
- Anamnese: Befragung von Angehörigen/Pflegeheim
- Medikation, Alkohol/andere Drogen, (psychiatrische) Vordiagnosen
- Untersuchung mit Fokus auf:
- Infekt(fokus)? Harnverhalt? Sturzfolgen (auch ältere)?
- Fokussierte neurologische Untersuchung: Generalisierte Muskelschwäche? Fokalneurologische Ausfälle? DD Schlaganfall
- EKG: Akute/subakute Ischämiezeichen - vgl. Vor-EKG
- BGA mit Elektrolyten, Hb und Blutzucker (insb. Natrium, Kalium, Calcium)
- Labor inkl. Infektwerte, Niere, Alkohol
- Ggf. bei klin. Verdacht: Schilddrüse, Leber, Herz, Urinstatus (ggf. + Vit. B12)
- Fokussiertes Sono (ggf. + Infekt-Fokussuche)
- Harnstau/-verhalt? Obstipation?
- Kardiale Pumpfunktion?
- CCT bei fraglichem Sturz, fokaler Neurologie
- DD Delir → 4AT-Test (s. unten)
Tipps
- CAVE: „Reduzierter AZ“ wird trotz hoher Mortalität oft unterschätzt!
- Quantitative Bewusstseinsstörung: Siehe Vigilanzminderung und Koma
- Auffällige Laborwerte (Elektrolyte, Blutbild etc.)?: Ev. Zeichen einer zugrundeliegenden, potentiell schweren Erkrankung - immer evaluieren!
Fokus Präklinik
- Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
- Erste Schritte, insb.:
- Klinische Untersuchung (Sepsis?)
- Anamnese (inkl. Medikamenteneinnahme / -änderungen / -verwechslung möglich?)
- Risikozeichen: Rasche Verschlechterung zum Vor-Zustand (Fremdanamnese!)
- EKG (Ischämiezeichen? Rhythmusstörung?)
- Transportziel je nach Verdacht, zumindest Klinik mit Innerer Medizin
- Allgemeine (progrediente) Muskelschwäche: Neurologie
- Allgemeine (progrediente) Muskelschwäche: Neurologie
Reduzierter Allgemeinzustand (Red AZ)
Grober Überbegriff für unklare Verschlechterung der Vigilanz, des Kreislaufstatus oder subjektive Einschätzung von Angehörigen / Pflegepersonal. Typisch betroffen: Pflegebedürftige Patient:innen.
Vielzahl an Ursachen / Möglichkeiten (s. auch Vigilanzminderung), häufigste Ursachen - Akronym "KEIM".
Häufige Ursachen: "KEIM"
Kardiovaskuläres Ereignis z.B.
- Akuter / subakuter Myokardinfarkt
- (neue) Rhythmusstörung, z.B. tachykardes Vorhofflimmern
- Bradykardie bei AV-Block
Elektrolytentgleisung, z.B.
- Hyponatriämie (z.B. bei Diuretika-Einnahme)
- Hypernatriämie bei schwerer Exsikkose
- Schwere Hyperglykämie
Infektion / Sepsis, z.B.
- insb. Harnwegsinfektion z.B. bei einliegenden Kathetern
- Erysipel / Infektion von Lagerungs-Ulzera
- Pneumonie
Medikamente / Alkohol
- neue Medikation, falsche Medikation (z.B. Nachbar-Patient:in...)
- Medikamenteninteraktionen
- Alkohol- oder andere (ggf. akzidentelle) Intoxikation
Delir
Hohe Mortalität ohne Behandlung. Diagnose z.B. mit 4AT-Test
- Definition: Neu aufgetretene Aufmerksamkeitsstörung mit
- Vigilanzminderung (quantitativer Bewusstseinsstörung) und/oder
- Qualitativer Bewusstseinsstörung (z.B. Desorientiertheit)
- Oft fluktuierender Verlauf
- Akute Entwicklung über Stunden bis Tage (im Unterschied zu z.B. Demenz - diese entwickelt sich über längere Zeit).
- Insbesondere das hypoaktive Delir wird häufig übersehen, das hyperaktive Delir fällt dem Umfeld meist schnell auf!
4 AT Test bei V.a. Delir
Wachheit:
- Normale Reaktion oder bis zu 10s schläfrig, dann normal → 0 Punkte
- Deutlich unnormale Reaktion → 4 Punkte
Orientierung: Nennung von Geburtsdatum, Alter, aktuellem Ort, aktuelles Kalenderjahr
- Fehlerfrei → 0 Punkte
- 1 Fehler → 1 Punkt
- ≥2 Fehler → 2 Punkte
Aufmerksamkeit: „Nennen Sie die Monate eines Jahres rückwärts, beginnend ab Dezember.“ (Hilfen wie „Welcher Monat kommt vor Dezember“ sind erlaubt)
- Sieben oder mehr Monate in korrekter Reihenfolge → 0 Punkte
- Angefangen, erreicht aber nicht 7 Monate / Incompliance → 1 Punkt
- Nicht durchführbar (sediert, nicht ausreichend wach, Unwohlsein) → 2 Punkte
Akute oder fluktuierende Symptomatik (Hinweis auf wechselnde Symptomatik bezüglich Wachheit/Wahrnehmung (auch Halluzinationen Wahn), welche innerhalb von 2 Wochen begann und in den letzten 24h noch bestand)
- Nein → 0 Punkte
- Ja → 4 Punkte
4 oder mehr Punkte: Delir möglich!
Checkliste Delir
- Anamnese (insb. Fremdanamnese, wenn möglich)
- Vitalwerte - Hinweis auf Ursache?
- vBGA (Elektrolyte, CO etc.)
- Ursachensuche und frühzeitig kausale Therapie!
- Siehe Ursachensuche bei Schwäche “KEIM”
- Kardiovaskulär: EKG (inkl. Vergleich von Vor-EKGs), ggf. Troponin bei V.a. kardiale Ischämie
- Elektrolyte: BGA, Labor
- Infektion: Klinische Untersuchung auf Infektzeichen /-fokus, Labor
- Medikamente: Sichtung der Dauermedikation, Anamnese (Verabreichung, neue oder kürzlich abgesetzte Medikamente)
- Siehe Ursachensuche bei Schwäche “KEIM”
- Erweiterte Delir-Abklärung /- Diagnostik:
- CCT bei unklarem Auslöser oder fokalneurologischem Defizit bzw. bei Pat. >65 J.
- Lumbalpunktion bei Meningismus / V.a. Meningitis oder Enzephalitis
- EEG zeitnah bei V.a. nonkonvulsiven Status Epilepticus (DD bei hypoaktivem Delir)
- Erweitertes Labor je nach Verdacht (z.B. Medikamentenspiegel, Toxikologie)
- Nichtmedikamentöse Akut-Therapie (v.a. im stat. Verlauf)
- Kausale Therapie der Ursachen (z.B. Infektion, Elektrolytstörung)
- Bei bek. / vermutetem Alkoholabusus: Thiamin (Vit. B1) 100mg po. /24h
- Anticholinergika absetzen/reduzieren (insbesondere bei älteren Pat.)
- Medikamente, die Entzugssymptomatik verursachen können langsam ausschleichen, nicht radikal absetzen
- Reizüberflutung reduzieren / ruhiges, betreutes Umfeld schaffen (Angehörige ans Bett holen, Orientierungspunkte schaffen z.B. Uhr, Kalender an der Wand, Tageslicht)
- Chronorhythmisierung” (Tag-Nacht-Rhythmus)
- Mechanische Fixierung möglichst vermeiden
- Medikamentöse (symptomatische) Akut-Therapie:
- Delir <65 J.:
- Melperon 25-0-50mg po. oder Pipamperon 20-0-40mg po.
- Fremdaggressivität: Risperidon 0,5mg/12h po. oder Haloperidol 1mg/12h po.
- Delir >65 J.
- Schlafstörung / Unruhe: am Abend Pipamperon 40mg po. oder Mirtazapin 7,5-15mg po.
- Wahn/Fremdaggressivität: Risperidon 0,5mg/12h po. oder Aripiprazol 10mg/24h po.
- Pat. mit Parkinson:
- Quetiapin 12,5-25mg/8h
- Schweres, agitiertes Delir (po. initial nicht möglich)
- Haloperidol 5mg im. (CAVE QTc-Verlängerung!)
- Ggf. um Benzodiazepin erweitern (z.B. Midazolam 2-5mg in.) - insb. bei älteren Pat. Benzodiazepine jedoch möglichst vermeiden!
- Alkohol- oder sonstiger Entzug
- Delir <65 J.:
Infection
Withdrawal (z.B. Benzodiazepine, Neuroleptika, Alkohol)
Acute Metabolic (Elektrolyte, Niereninsuffizienz, Glykose…)
Trauma (SHT, Fraktur/Schmerz, Harnverhalt, Obstipation)
CNS (ZNS-Pathologie: Tumor, Encephalitis, Meningitis…)
Hypoxie (COPD, Herzinsuffizienz...)
Deficiencies (Vit. B12-/ Folsäure-Mangel, Exsikkose, Mangelernährung)
Endokrin (Schilddrüse, Nebenniere, Krebserkrankung)
Acute Vascular (Myokardinfarkt, Schlaganfall)
Toxine/Medikamente (insb. Anticholinergika, Benzodiazepine, Psychopharmaka)
Heavy Metals (Schwermetalle)
Generalisierte Muskelschwäche
Hinweise auf drohende respiratorische Insuffizienz → Überwachung! Ggf. im Verlauf Atemwegssicherung nötig!
- Schluckstörungen inkl. (akuter) Heiserkeit
- Respiratorische Erschöpfung inkl. Tachypnoe, Dyspnoe, Hypoxie, Hyperkapnie
- Kopf kann im Liegen nicht (mehr) gegen leichten Widerstand angehoben werden
Checkliste generalisierte Muskelschwäche
- Ursachen (Auswahl) evaluieren:
- Allgemeine Muskelschwäche, ggf. aufsteigend, symmetrisch:
- Elektrolytstörung (z.B. Hyper-/Hypokaliämie, Hyperkalziämie)
- Hypo-, Hyperthyreose
- Progress bekannter neuromuskulärer Erkrankung (z.B. ALS)
- Myasthene Krise (bei bek. Myasthenia gravis, selten Erstmanifestation)
- Guillain-Barré-Syndrom (teils sehr rasch fortschreitend)
- Schwäche v.a. proximal und Muskelschmerz
- Rhabdomyolyse
- Schwäche einzelner Muskelgruppen
- Fokalneurologisches Defizit (siehe Schlaganfall)
- Kompression/Liegetrauma (Läsion peripherer Nerven mit Paresen)
- Allgemeine Muskelschwäche, ggf. aufsteigend, symmetrisch:
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Nerdfacts: Red. AZ (Nerdfallmedizin 2021)
- Leitlinie Delir und Verwirrtheitszustände inkl. Alkoholentzugsdelir (AWMF 2020)
- Reduzierter AZ - was tun? (Nerdfallmedizin 2020)
- ESA Leitlinie postoperatives Delir (ESA 2017)
Literatur
- DGN. S1-Leitlinie Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir. AWMF (2020).
- Aldecoa, C. et al. European Society of Anaesthesiology evidence-based and consensus-based guideline on postoperative delirium. Eur. J. Anaesthesiol. 34, 192–214 (2017).