1. Leitsymptome
  2. Reanimation und Allgemeines

Schwäche, Verwirrung + Delir

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Killer

Red Flags

Erste Schritte

  • Anamnese: Befragung von Angehörigen/Pflegeheim
    • Medikation, Alkohol/andere Drogen, (psychiatrische) Vordiagnosen
  • Untersuchung mit Fokus auf:
  • EKG: Akute/subakute Ischämiezeichen - vgl. Vor-EKG
  • BGA mit Elektrolyten, Hb und Blutzucker (insb. Natrium, Kalium, Calcium)
  • Labor inkl. Infektwerte, Niere, Alkohol
    • Ggf. bei klin. Verdacht: Schilddrüse, Leber, Herz, Urinstatus (ggf. + Vit. B12)
  • Fokussiertes Sono (ggf. + Infekt-Fokussuche)
    • Harnstau/-verhalt? Obstipation?
    • Kardiale Pumpfunktion?
  • CCT bei fraglichem Sturz, fokaler Neurologie
  • DD Delir → 4AT-Test (s. unten)

Tipps

  • CAVE: „Reduzierter AZ“ wird trotz hoher Mortalität oft unterschätzt!
  • Auffällige Laborwerte (Elektrolyte, Blutbild etc.)?: Ev. Zeichen einer zugrundeliegenden, potentiell schweren Erkrankung - immer evaluieren!

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Klinische Untersuchung (Sepsis?)
    • Anamnese (inkl. Medikamenteneinnahme / -änderungen / -verwechslung möglich?)
      • Risikozeichen: Rasche Verschlechterung zum Vor-Zustand (Fremdanamnese!)
    • EKG (Ischämiezeichen? Rhythmusstörung?)
  • Transportziel je nach Verdacht, zumindest Klinik mit Innerer Medizin
    • Allgemeine (progrediente) Muskelschwäche: Neurologie

Reduzierter Allgemeinzustand (Red AZ)

Grober Überbegriff für unklare Verschlechterung der Vigilanz, des Kreislaufstatus oder subjektive Einschätzung von Angehörigen / Pflegepersonal. Typisch betroffen: Pflegebedürftige Patient:innen.

Vielzahl an Ursachen / Möglichkeiten (s. auch Vigilanzminderung), häufigste Ursachen - Akronym "KEIM".

Häufige Ursachen: "KEIM"

KEIMHäufige Ursachen für "reduzierten AZ"
K

Kardiovaskuläres Ereignis z.B.

E

Elektrolytentgleisung, z.B.

I

Infektion / Sepsis, z.B.

  • insb. Harnwegsinfektion z.B. bei einliegenden Kathetern
  • Erysipel / Infektion von Lagerungs-Ulzera
  • Pneumonie
M

Medikamente / Alkohol

Delir

Hohe Mortalität ohne Behandlung. Diagnose z.B. mit 4AT-Test

  • Definition: Neu aufgetretene Aufmerksamkeitsstörung mit
    • Vigilanzminderung (quantitativer Bewusstseinsstörung) und/oder
    • Qualitativer Bewusstseinsstörung (z.B. Desorientiertheit)
  • Oft fluktuierender Verlauf
  • Akute Entwicklung über Stunden bis Tage (im Unterschied zu z.B. Demenz - diese entwickelt sich über längere Zeit).
  • Insbesondere das hypoaktive Delir wird häufig übersehen, das hyperaktive Delir fällt dem Umfeld meist schnell auf!
4 AT Test bei V.a. Delir

Wachheit: 

  • Normale Reaktion oder bis zu 10s schläfrig, dann normal → 0 Punkte
  • Deutlich unnormale Reaktion → 4 Punkte

Orientierung: Nennung von Geburtsdatum, Alter, aktuellem Ort, aktuelles Kalenderjahr

  • Fehlerfrei → 0 Punkte
  • 1 Fehler → 1 Punkt
  • ≥2 Fehler → 2 Punkte

Aufmerksamkeit: „Nennen Sie die Monate eines Jahres rückwärts, beginnend ab Dezember.“ (Hilfen wie „Welcher Monat kommt vor Dezember“ sind erlaubt)

  • Sieben oder mehr Monate in korrekter Reihenfolge → 0 Punkte
  • Angefangen, erreicht aber nicht 7 Monate / Incompliance → 1 Punkt
  • Nicht durchführbar (sediert, nicht ausreichend wach, Unwohlsein) → 2 Punkte

Akute oder fluktuierende Symptomatik (Hinweis auf wechselnde Symptomatik bezüglich Wachheit/Wahrnehmung (auch Halluzinationen Wahn),  welche innerhalb von 2 Wochen begann und in den letzten 24h noch bestand)

  • Nein → 0 Punkte
  • Ja → 4 Punkte

4 oder mehr Punkte: Delir möglich!

Checkliste Delir

  • Anamnese (insb. Fremdanamnese, wenn möglich)
  • Vitalwerte - Hinweis auf Ursache?
    • vBGA (Elektrolyte, CO etc.)
  • Ursachensuche und frühzeitig kausale Therapie!
    • Siehe Ursachensuche bei Schwäche “KEIM
      • Kardiovaskulär: EKG (inkl. Vergleich von Vor-EKGs), ggf. Troponin bei V.a. kardiale Ischämie
      • Elektrolyte: BGA, Labor
      • Infektion: Klinische Untersuchung auf Infektzeichen /-fokus, Labor
      • Medikamente: Sichtung der Dauermedikation, Anamnese (Verabreichung, neue oder kürzlich abgesetzte Medikamente)
  • Erweiterte Delir-Abklärung /- Diagnostik:
    • CCT bei unklarem Auslöser oder fokalneurologischem Defizit bzw. bei Pat. >65 J.
    • Lumbalpunktion bei Meningismus / V.a. Meningitis oder Enzephalitis
    • EEG zeitnah bei V.a. nonkonvulsiven Status Epilepticus (DD bei hypoaktivem Delir)
    • Erweitertes Labor je nach Verdacht (z.B. Medikamentenspiegel, Toxikologie)
  • Nichtmedikamentöse Akut-Therapie (v.a. im stat. Verlauf)
    • Kausale Therapie der Ursachen (z.B. Infektion, Elektrolytstörung)
    • Bei bek. / vermutetem Alkoholabusus: Thiamin (Vit. B1) 100mg po. /24h
    • Anticholinergika absetzen/reduzieren (insbesondere bei älteren Pat.)
      • Medikamente, die Entzugssymptomatik verursachen können langsam ausschleichen, nicht radikal absetzen
    • Reizüberflutung reduzieren / ruhiges, betreutes Umfeld schaffen (Angehörige ans Bett holen, Orientierungspunkte schaffen z.B. Uhr, Kalender an der Wand, Tageslicht)
    • Chronorhythmisierung” (Tag-Nacht-Rhythmus)
    • Mechanische Fixierung möglichst vermeiden
  • Medikamentöse (symptomatische) Akut-Therapie:
    • Delir <65 J.:
      • Melperon 25-0-50mg po. oder Pipamperon 20-0-40mg po.
      • Fremdaggressivität: Risperidon 0,5mg/12h po. oder Haloperidol 1mg/12h po.
    • Delir >65 J.
      • Schlafstörung / Unruhe: am Abend Pipamperon 40mg po. oder Mirtazapin 7,5-15mg po.
      • Wahn/Fremdaggressivität: Risperidon 0,5mg/12h po. oder Aripiprazol 10mg/24h po.
    • Pat. mit Parkinson:
      • Quetiapin 12,5-25mg/8h
    • Schweres, agitiertes Delir (po. initial nicht möglich)
      • Haloperidol 5mg im. (CAVE QTc-Verlängerung!)
      • Ggf. um Benzodiazepin erweitern (z.B. Midazolam 2-5mg in.) - insb. bei älteren Pat. Benzodiazepine jedoch möglichst vermeiden!
    • Alkohol- oder sonstiger Entzug

I WATCH DEATHUrsachensuche bei Delir (erweitert)
I

Infection

W

Withdrawal (z.B. Benzodiazepine, Neuroleptika, Alkohol)

A

Acute Metabolic (Elektrolyte, Niereninsuffizienz, Glykose…)

T

Trauma (SHT, Fraktur/Schmerz, Harnverhalt, Obstipation)

C

CNS (ZNS-Pathologie: Tumor, Encephalitis, Meningitis…)

H

Hypoxie (COPD, Herzinsuffizienz...)

D

Deficiencies (Vit. B12-/ Folsäure-Mangel, Exsikkose, Mangelernährung)

E

Endokrin (Schilddrüse, Nebenniere, Krebserkrankung)

A

Acute Vascular (Myokardinfarkt, Schlaganfall)

T

Toxine/Medikamente (insb. Anticholinergika, Benzodiazepine, Psychopharmaka)

H

Heavy Metals (Schwermetalle)

Generalisierte Muskelschwäche

Hinweise auf drohende respiratorische Insuffizienz → Überwachung! Ggf. im Verlauf Atemwegssicherung nötig!

  • Schluckstörungen inkl. (akuter) Heiserkeit
  • Respiratorische Erschöpfung inkl. Tachypnoe, Dyspnoe, Hypoxie, Hyperkapnie
  • Kopf kann im Liegen nicht (mehr) gegen leichten Widerstand angehoben werden

Checkliste generalisierte Muskelschwäche

  • Ursachen (Auswahl) evaluieren:
    • Allgemeine Muskelschwäche, ggf. aufsteigend, symmetrisch:
      • Elektrolytstörung (z.B. Hyper-/Hypokaliämie, Hyperkalziämie)
      • Hypo-, Hyperthyreose
      • Progress bekannter neuromuskulärer Erkrankung (z.B. ALS)
      • Myasthene Krise (bei bek. Myasthenia gravis, selten Erstmanifestation)
      • Guillain-Barré-Syndrom (teils sehr rasch fortschreitend)
    • Schwäche v.a. proximal und Muskelschmerz
      • Rhabdomyolyse
    • Schwäche einzelner Muskelgruppen
      • Fokalneurologisches Defizit (siehe Schlaganfall)
      • Kompression/Liegetrauma (Läsion peripherer Nerven mit Paresen)
Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DGN. S1-Leitlinie Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir. AWMF (2020).
  • Aldecoa, C. et al. European Society of Anaesthesiology evidence-based and consensus-based guideline on postoperative delirium. Eur. J. Anaesthesiol. 34, 192–214 (2017).

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