1. Leitsymptome
  2. Kopf und Neuro

Augen-Notfälle

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Killer

Kritisch bedrohlich für Verlust des Augenlichts

  • Lid-/Orbitaphlegmone
  • Zentralarterienverschluss
  • Arteriitis temporalis
  • Netzhautablösung
  • Verätzung

Red Flags

  • Plötzlicher Visusverlust
  • “Lichtblitze/fallende Wand/Rußregen”
  • Penetrierende/perforierende Augenverletzung
  • Verätzung
  • Neurologische Symptomatik (Kopfschmerz, fokal-neurologisches Defizit etc.)
  • Augen-OP in den letzten 4 Wochen (v.a. 2-5d) + Beschwerden
    • Immer rasche augenärztliche Rücksprache, meist dringliche Vorstellung nötig!

Erste Schritte

Falls keine Augenheilkunde unmittelbar verfügbar: Bei Verätzung → Spülen!

Zentrale Fragestellungen: Trauma? Monokuläre/binokuläre Problematik?

  • Inspektion (bei Fremdkörpergefühl: Ektropionieren, Kontaktlinsen noch im Auge?)
  • Sehschärfe/Visus (jedes Auge extra):
    • Völlige Blindheit/Lichtwahrnehmung/Handbewegung wird wahrgenommen/ Fingerzählen möglich/Lesen (z.B. eines Namensschilds) möglich?
    • Bei Visusverlust: Schmerzhaft oder schmerzlos? Wie schnell aufgetreten (rasch binnen Minuten / Stunden oder "langsam" über Tage+)?
  • Gesichtsfeld prüfen mit Fingerperimetrie
  • Augenmotilität
  • Pupillen: Reaktion auf Licht, Form, Symmetrie, RAPD-Test
RAPD-Test

Test auf RAPD (relativer afferenter Pupillendefekt) - „Swinging Flashlight“: Beleuchten eines Auges, rasches Wechseln auf anderes Auge:

  • „Normal / Negativ“: Bei Wechsel der Augen bleibt Miosis gleich
  • „Pathologisch / Positiv“ = Bei Wechsel auf betroffenes Auge zeigt sich bei beiden Augen keine so starke Miosis / sogar Erweiterung der Pupille → V.a. Schädigung nervus opticus (z.B. Zentralarterienverschluss, Netzhautablösung, Retrobulbärhämatom)
  • Palpatorischer Augendruck (bei geschlossenem Auge, nach unten blicken, beidseitig; sanft!)
    • Schmerzhaftes Auge “steinhart”, kontralaterale Seite weicher → V.a. Glaukomanfall
Fokussierte Anamnese
  • Beschwerden:
    • Ein Auge oder beide Augen betroffen?
    • Schmerzen? Fremdkörpergefühl?
    • Zeitlicher Verlauf (bei welcher Aktivität? Trauma?)
    • Beschwerdedauer/-intensität, intermittierend?
    • Systemische Begleitsymptome?
  • Augen-Vorerkrankungen, insb.:
    • Glaukom
    • Z.n. Augen-OP
    • Kontaktlinsenträger:in
    • Uveitis bekannt / in Behandlung? (Rezidiv?)
    • Andere Vorerkrankungen, insb.:
      • Familienanamnese bez. Glaukom (grüner Star), Netzhautablösung etc.
      • Gefäßerkrankungen / kardiovaskuläres Risikoprofil
      • Autoimmunerkrankungen
  • Dauermedikation (Risiko u.a. bei Kortisonpräparaten, Amiodaron, Phenprocoumon)

Tipps

  • In der Notaufnahme Fokus auf Initialtherapie und Dispositions-Entscheidung: Sofort in die nächste Augenklinik, erst am Folgetag oder ambulante Vorstellung im Verlauf?
    Bei Unklarheit: Patient:innen nach Rücksprache in Augenklinik vorstellen!
  • Einfache Maßnahmen (z.B. Augentropfen, Augenspülung, Analgesie) sind wichtig und können akuten Leidensdruck effektiv lindern.

Fokus Präklinik

  • Plötzlicher Visusverlust, Trauma/ Penetrierende/perforierende Augenverletzung, Verätzung/ Verbrennungen, Z.n. Augen-OP: Transportziel Klinik mit Ophthalmologie
  • Zusätzlich Neuro-Symptomatik (Kopfschmerz, fokale Neurologie etc.) = potentiell intrazerebrales Geschehen: Transportziel Klinik mit Neurologie, optimal + Ophthalmologie
  • Fremdkörper: Material (ggf. mitnehmen, Metall?)
    • wenn Fremdkörper sichtbar: belassen, ggf. Auge spülen, mit trockenem / lockeren Verband abdecken
  • Verätzung: Sofort mit Spülung beginnen!
  • V.a. Orbitafraktur /Gesichtsfraktur: Transportziel Klinik mit Ophtalmologie und MKG

Rotes Auge / Augenlid

Red Flags:

  • Fremdkörpergefühl (→ nochmalige Nachfrage: Sicher kein Trauma?)
  • Phlegmonöse Beteiligung über das Lid hinausgehend (Orbita etc.)
  • Systemische Symptomatik / Fieber, insb. bei Immunsupprimierten
  • Zeichen ausgeprägter Infektion: DD Lid-/Orbitaphlegmone (s.u.):
    • Zeitkritische Vorstellung in Augenklinik, Antibiose

Zoster Opthalmicus

Herpes Zoster mit okulärer Beteiligung (Nasenspitze /-rücken, Stirn): V.a. Herpes opthalmicus.

Checkliste V.a. Zoster Opthalmicus

  • Stationäre Aufnahme
    • zeitnahe augenärztliche Vorstellung (spätestens Folgetag),
  • Systemische antivirale Therapie wie bei schwerem Verlauf von Herpes Zoster
  • Augentropfen /-salbe nach Rücksprache mit Augenklinik
    • z.B. Dexamethason 1-2 Tropfen /4h bis zum Folgetag
  • Aciclovir-Augensalbe 5x tgl.

Hordeolum (Gerstenkorn)

Entzündung der Talgdrüse(n) unter dem Augenlid (meist Staphylokokken). Schnell zunehmende schmerzhafte lokale Schwellung (evtl. mit kleinem gelben Herd) am Augenlid, kann das ganze Lid betreffen (DD Lidphlegmone: Meist Visusverlust, schwere Krankheitssymptomatik).

Checkliste Gerstenkorn

  • Antibiotische Augentropfen, z.B. Dexagentamicin 1 Tropfen 5x tgl. in den Bindehautsack oder Dexagentamicin Augensalbe 5x tgl.
  • Wärmebehandlung
  • Wiedervorstellung ambulant (Hausärzt:in) am Folgetag; bei mangelnder Besserung zeitnah augenärztliche Vorstellung

Chalazion (Hagelkorn)

Drüsenentzündung durch Verstopfung, nichtinfektiös. Langsam entstehende, lokale Schwellung, meist schmerzlos ohne weitere Lidbeteiligung.

Checkliste Hagelkorn

  • Wärmebehandlung
  • Wiedervorstellung ambulant (Hausärzt:in) am Folgetag; bei mangelnder Besserung zeitnah augenärztliche Vorstellung

Hyposphagma

Flächige Einblutung unter der Bindehaut, oft ausgelöst durch plötzliche Druckerhöhung (Niesen, Husten, Bücken), Gerinnungsstörung / Einnahme von OAK, Reiben/Kratzen im Auge, ggf. auch bei Hypertonie.

Checkliste Hyposphagma

  • Falls kein Trauma, keine Visuseinschränkung, kein Hyphäma (Blutung in der vorderen Augenkammer):
    • Keine Akuttherapie nötig, Blutdruckmessung (Hinweis auf hypertensiven Notfall?)
    • Antikoagulation muss nicht umgestellt oder abgesetzt werden
    • Blutung tamponiert sich von selbst, spontane Resorption abwarten (etwa 1-2 Wochen)
    • Bei mangelnder Besserung >2 Wochen Visuseinschränkung augenärztliche Vorstellung, sofort bei neuer Visuseinschränkung.
  • Dringliche augenärztliche Vorstellung bei:
    • Trauma (auch Bagatelltrauma)
    • Visuseinschränkung
    • Hyphäma (Blutung in der vorderen Augenkammer)

Konjunktivitis

Rötlich gefärbte Bindehaut, teils mit eitrigem Ausfluss oder vermehrter Tränenbildung. „Je eitriger, desto eher bakteriell“. Oft zunächst das eine, im Verlauf auch das andere Auge betroffen.

Checkliste Konjunktivitis

  • Infektiöse Konjunktivitis
    • Antibiotische Augentropfen, z.B. Gentamicin 1-2 Tropfen 5x tgl.
    • Ggf. künstliche Tränen 1 Tropfen 5x tgl. (und zusätzlich bei Bedarf)
    • Ansteckend, Pat. informieren! Händehygiene, im Haushalt keine Handtücher etc. teilen
  • Allergische Konjunktivitis
    • Antiallergische Augentropfen, z.B. Azelastatin Tropfen 0,5mg/ml 2x tgl.
    • Künstliche Tränen stündlich (um Allergene auszuwaschen)

Schmerzloser Visusverlust

  • Generell: Zeitkritische Vorstellung in Augenklinik!

Hier Auswahl für die Notaufnahme besonders relevanter DD:

Auftreten des schmerzlosen Visusverlusts

Differenzialdiagnosen
(Auswahl für Notfallmedizin besonders relevanter DD)

Einseitig
plötzlich auftretend
persistierend / zunehmend

(über Minuten-Stunden)

  • Zentralarterienverschluss
  • Anteriore ischämische Optikusneuropathie)
  • Arteriitis temporalis (als Auslöser)
  • Netzhautablösung
  • Glaskörperblutung

Einseitig (evtl. auch beidseitig)
rasch auftretend
zeitnah wieder rückläufig

  • Amaurosis fugax

Einseitig
langsam auftretend (Wochen / Monate)

  • Katarakt (grauer Star)
  • Makuladegeneration (altersbedingt)
  • Diabetische Retinopathie

Zentralarterienverschluss

DD anteriore ischämische Optikusneuropathie - AION

  • Positiver RAPD
  • Ggf. CCT inkl. Angiografie zur Ursachensuche (z.B. hochgradige Carotisstenose) und Ausschluss cerebraler Blutung
  • In Einzelfällen systemische Lysetherapie analog zu Schlaganfalltherapie bei Symptombeginn <4,5h erwägen (vorab Rücksprache mit Augenklinik und Neurologie - schwache Evidenz, jedoch einzige Therapieoption)

Arteriitis temporalis

Auch Riesenzellarteriitis, M. Horton. Großgefäßvaskulitis.
Typische Symptomatik: Kopfschmerz, Druckschmerz über Temporalarterien, Schmerzen beim Kauen), zusätzlich hinweisende Anamnese u.a. bei: Gewichtsverlust, Nachtschweiß, autoimmunologische rheumatologische Vorerkrankungen. Kann Zentralarterienverschluss, AION etc. auslösen.

Checkliste V.a. Arteriitis temporalis

  • Labordiagnostik inkl. CRP, BSG (BSG typisch deutlich erhöht)
  • „Halo-Effekt“ in Farbduplex-Sonografie der A. temporalis (bei entsprechender Expertise)
  • Falls Arteriitis temporalis denkbar: Sofort Prednisolon 250mg iv.
  • Kontaktaufnahme Augenklinik - Verlegung

Netzhautablösung

Lichtblitze, schwarze Punkte, „Regen“ oder „Vorhang“. Evtl. Darstellung in Augenultraschall möglich (Seitenvergleich, kein Ausschluss möglich). Rasche Verlegung Augenklinik.

Glaskörperblutung

Meist schwarzer oder roter „Regen“. Betroffene sind meist Diabetiker:innen. Verlegung Augenklinik.

Amaurosis fugax

Einseitig (evtl. auch beidseitig), rasch auftretend, zeitnah wieder rückläufig. Meist bei Vorstellung in der Notaufnahme wieder „normal“.

Notfallmedizinisch ähnliches Vorgehen analog zu TIA (insb. bei typischem kardiovaskulärem Risikoprofil) - rasche neurologische Vorstellung. Bei bekannter Riesenzellarteriitis: Prednisolongabe iv. (s. V.a. Arteriitis temporalis)

Schmerzhafter Visusverlust

Bei allen Genannten de facto immer rasche Vorstellung in Augenklinik notwendig!

Glaukomanfall

Symptomatik:

  • Augenschmerz, ggf. mit Ausstrahlung in Kiefer/Zähne/Schläfe
  • ggf. Sehstörung (wie eine „Nebelwand“)
  • Red. AZ, Kopfschmerz, Übelkeit, Tränen
  • Pupille: Weit, evtl. entrundet, teils fehlende/verminderte Pupillenreaktion
  • “Steinharter” Bulbus
  • Auftreten oft in dunkler Umgebung bzw. abends/nachts, bei plötzlichem Stress/Schreck (Pupillendilatation) - „Tatort-Krankheit“

Checkliste Glaukomanfall

  • Keine aktive Blutdrucksenkung
  • Anticholinergika kontraindiziert (insb. Dimenhydrinat, Atropin, Butylscopolamin)
  • Symptomatische Therapie bei Übelkeit z.B. Ondansetron
  • Spezifische Therapie:
    • Acetazolamid 500mg iv./po. oder Mannitol 1g/kg iv. (z.B. 10ml Mannitol 10%/kg) über 15-30min.
    • Augentropfen
      • α-Sympathomimetika: Brimonidin oder Apraclonidin 0,5% alle 4min. je 1gtt (max. 5x)
      • β-Blocker: Timolol 0,5% alle 5min. je 1gtt (CAVE: insb. bei älteren Patient:innen schon nach wenigen Tropfen evtl. systemische Nebenwirkungen)
      • Parasympathomimetika-AT: Pilocarpin 1% alle 5min. je 1gtt (Cave: Bei lichtstarrer Pupille kontraindiziert!)

Orbitaphlegmone

Ausgeprägte periorbitale Schwellung, Schmerzen bei Augenbewegung; massiv reduzierter AZ, häufig Fieber. Beidseitiges Doppelbildsehen (Diplopie).
Bei Kindern anamnestisch typisch kurz zuvor Sinusitis / „Schnupfen“

Checkliste V.a. Orbitaphlegmone

  • Bildgebung (MRT) nach Rücksprache mit Augenklinik / MKG
  • Sepsistherapie inkl. Blutkulturen und rascher Antibiose
    • z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. ggf. alternativ Ceftriaxon 2g iv.

Endophthalmitis

Entzündung des Augeninneren: zeitkritischer Notfall!

Verdacht bei Infektzeichen, Visusverlust + Z.n. Augen-OP / Eingriff innerhalb der letzten 3-4 Wochen (meist zwischen Tag 2 und 5), z.B. Katarakt-OP, Vitrektomie, IVOM (Intravitreale operative Medikamentengabe - „Spritze ins Auge“)

Checkliste V.a. Endophthalmitis

  • (Sofortige) Vorstellung Augenklinik, dort Vitrektomie und intraoperative Antibiotika-Injektion
  • nach Rücksprache ggf. zuvor systemische Antibiose beginnen

Ulcus cornae

Typisch: Tränen, rotes Auge, Lidkrampf, starke Schmerzen. Deutlich reduzierter Visus, evtl. Eiter in Vorderkammer (Hypopyon), V.a. bei Kontaktlinsenträger:innen.
Augenärztliche Vorstellung zur genauen Diagnostik, ggf. systemische Antibiose indiziert.

Fremdkörper(gefühl)

Kontaktlinsenprobleme

Vorstellung teils wegen Problemen, die eigenen Kontaktlinsen zu entfernen (meist Patient:innen, die erst seit kurzem Kontaktlinsen tragen) oder dem Gefühl, die Kontaktlinse ("im Auge") nicht mehr zu finden. Relativ häufig sind die Kontaktlinsen gar dann nicht mehr im Auge, die Patient:innen haben beim verzweifelten „Suchen" eine lokale Reizung und Schmerzen verursacht.

Auffinden: Vorsichtige Inspektion des Augens und Suchen unter Oberlid (ggf. ektropionieren) / Unterlid, dann:

Entfernen: Kontaktlinsen mit etwas NaCl 0,9% „anfeuchten“, dann mit Daumen + Zeigefinder vorsichtig fassen und entfernen (oder Nutzung eines „Stempels“, falls verfügbar - Pat. führen einen solchen oft mit sich)

Oberflächliche Fremdkörper / Erosio cornae

Tpyisch z.B. Sandkörner. Meist unter Lid „gefangene“ kleine Fremdkörper DD Erosio cornae (Hornhautepitheldefekt) - z.B. nach Fingernagel-Kratzen.

Typisch: Tränen, Lidkrampf, Photophobie, oft starke Schmerzen (schlagartige Besserung nach 1 Proparacain Augentropfen)

Checkliste oberflächliche Fremdkörper

  • Ektropionieren
    • Fremdkörper mit feuchtem Wattestäbchen entfernen, ggf. spülen
    • Evtl. Nachweis oberflächlicher Kratzspuren mit Fluorescin-Augentropfen möglich
  • Ofloxacin-Augentropfen 5x tgl. für 5d
  • Ambulante Vorstellung Augenklinik / Augenärzt:in zeitnah (Folgetag)

Andere Fremdkörper

  • V.a. Fremdkörper in der Hornhaut (bei metallischen Fremdkörpern nach einige Tagen teils „Rostring“ erkennbar)
  • Hochgeschwindigkeits-Fremdkörper (typisch z.B. Metallfragment nach Flexen)
  • Tiefer penetrierende / perforierende penetrierende Verletzung z.B. nach Hammer-Meißel-Verletzung
  • Fremdkörper steckt offensichtlich noch im Auge (z.B. Nagel, Metallfeder)

Checkliste tiefe / komplexe Fremdkörper

  • Bei Chemikalienkontakt/Verätzung: Augenspülung (s. Verätzungen)!
  • Ggf. lokalanästhetische Augentropfen (z.B. Proparacain 0,5% 1 Tropfen)
    • CAVE: Lokalanästhetische Augentropfen den Patient:innen niemals mitgeben! Gefahr des Missbrauchs wegen subjektiver Beschwerdebesserung, hierunter Wundheilungsstörungen, Verletzungen durch Reiben/Kratzen!
  • Noch steckende Fremdkörper locker abdecken und NICHT entfernen
  • Systemische Analgesie, z.B. mit Piritramid / Fentanyl, wenn nötig
  • Bildgebung (z.B. CT) nach Rücksprache Augenklinik, kein MRT falls potenziell metallischen Fremdkörper
  • Tetanus-Status erfragen, ggf. auffrischen
  • Rasche Verlegung in Augenklinik

Augenverletzungen

Verletzung durch Fremdkörper - siehe Fremdkörper(gefühl)

Verätzung

Zeitkritische Vorstellung in Augenklinik und spülen, spülen, spülen!

Anamnese (parallel spülen!) zu Agens:

  • Welche Chemikalie (Säure, Lauge)? Wurde sie mit Druck appliziert?
  • Wurde bereits gespült?

Checkliste Verätzung

  • Spülung mit kristalloider Infusionslösung (z.B. Ringer-Laktat etc.) oder NaCl 0,9% (alternativ Wasser, falls Infusion nicht verfügbar)
    • Applikation z.B. mit „Morgan Lens® “ oder Nasenbrillen-Trick (s. unten) über ca. 30 Minuten (bei Verlegung in eine Augenklinik kann das zum Teil auch am Transport erfolgen)
  • Lidkrampf manuell überwinden (mittels Lokalanästhetika-Augentropfen), um gesamtes Auge zu spülen inkl. ektropionieren
    • (Kalk-) Reste manuell (z.B. mit Wattestäbchen) entfernen!
    • Ggf. bei starken Schmerzen systemische Analgesie, z.B. mit Fentanyl iv.
    • Falls keine „regulären“ Lokalanästhetika Augentropfen vorhanden, evtl. (off-label) Lidocain 1% nutzen
  • Sonderfall Flusssäure-Verätzung
    • Begleitende Haut-/Inhalationsverletzungen ausschließen
    • Spülung möglichst mit Spezialflüssigkeit (Hexafluorine®-Lösung), alternativ im Notfall ggf. Calciumgluconat 1%

Nasenbrillen-Trick zur Spülung

  • Infusion zur Spülung vorbereiten
  • O2-Brille an Ende des Infusionssystem anschließen
  • Nasenbrille an der Stirn bzw. am Nasenrücken befestigen, so dass die Auslassöffnungen auf die Augen / das betroffene Auge zeigt
  • Infusion starten - die Spülflüssigkeit läuft von „innen“ und oben nach außen über das Auge ab (Handtücher etc. unter den Kopf)
Augenspuelung

Verblitzung

Auch Keratoconjunctivitis photoelectrica. Durch übermäßige, länger andauernde UV-Exposition induzierte Hornhautschädigung, z.B. Höhensonne, Schweißen und Sonnenbank ohne Augenschutz. Verblitzung ist letztlich Pendant zum Sonnenbrand.

Typisch: Verzögert (ca. 6-12h nach Exposition) eintretend, beidseitige Photophobie, Tränen, Lidkrampf, evtl. Schmerzen und/oder Fremdkörpergefühl

Checkliste Verblitzung

  • Künstliche Tränen
  • Dexagentamicin 1 Tropfen 5x tgl. für 5 Tage
  • Ggf. systemische Analgesie nach Bedarf (NSAR, etc.)
  • Ggf. Lokalanästhetika-Augentropfen (z.B. Oxybuprocain AT 1-2 Tropfen), hierdurch sollte rasche Besserung eintreten
    • CAVE: Lokalanästhetische Augentropfen den Patient:innen niemals mitgeben. Gefahr des Missbrauchs wegen subjektiver Beschwerdebesserung, hierunter Wundheilungsstörungen, Verletzungen durch Reiben/Kratzen
  • Ambulante Vorstellung Augenklinik Augenärzt:in zeitnah (Folgetag)

Contusio Bulbi

Stumpfes Augentrauma (typisch: Sektkorken, Faustschlag). Bei starker Krafteinwirkung: DD Blow-Out Fracture / retrobulbäres Hämatom - frühzeitig CT-Diagnostik. Evtl. Blutung in Vorderkammer (Hyphäma) oder Bindehaut (Hyposphagma): Zeitkritische Vorstellung in Augenklinik, ggf. vorab CT-Diagnostik

Auffällige Pupillen

Normaler Pupillenstatus: Pupillen isokor, mittelweit, bds. direkte und indirekte Lichtreaktion normal.

Begrifflichkeiten:

Begrifflichkeiten bei Pupillen-Diagnostik
  • Isokorie = Beide Pupillen gleich weit
  • Anisokorie = Pupillen unterschiedlich weit
  • Miosis = Enge Pupille
  • Mydriasis = Weite Pupille
  • Direkte Lichtreaktion = Miosis nach Lichteinstrahlung in betroffenes Auge
  • Indirekte Lichtreaktion = Miosis nach Lichteinstrahlung in anderes Auge
  • Lichtreaktion bei Blindheit: Gesundes Auge direkte Reaktion, keine indirekte Reaktion; erblindetes Auge keine direkte Reaktion jedoch indirekte Reaktion (positiver RAPD-Test, s. oben)

Tipp: Das zu untersuchende Auge ist zugeschwollen, es sollen aber Pupillenreflexe (indirekte Lichtreaktion) geprüft werden? Augen-Sonografie!

Anisokorie

Definition: Differenz der Pupillen ≥0,5mm.
Physiologische Anisokorie: Seitendifferenz im Hellen und Dunkeln < 0,5mm.

Meist (ohne Begleitsymptomatik) kein Zeichen eines akuten Notfalls.
Frage in der Notaufnahme: Welche Pupille ist betroffen? Besteht akute Gefährdung?

Anamnese

  • Insb. Trauma Augen-OP, Drogen- oder Medikamenteneinnahme, Augentropfen?
  • Wenn irgendwie möglich, alte Fotos (Führerschein, Ausweis etc.) prüfen oder Angehörige befragen: Besteht schon länger eine Anisokorie? 
(Häufig fällt den Pat. selbst eine langjährig bestehende Anisokorie nicht auf)

Anisokorie

Vergleichende Untersuchung bei heller und dunkler Umgebung

Befund

Verdachtsdiagnosen / Vorgehen

Anisokorie bei Helligkeit/Dunkelheit unverändert (meist < 0,5mm)

  • Meist physiologische Anisokorie (Prävalenz ca. 20%), häufig schon lange / immer bestehend

Anisokorie bei Dunkelheit verstärkt

→ kleinere Pupille ist betroffen

  • Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Pseudo-Enophthalmus durch Ptosis) - siehe unten
  • Physiologische (bestehende) Anisokorie

Anisokorie bei Helligkeit verstärkt

→ größere Pupille ist betroffen

  • Okulomotoriusparese
    (typisch einseitige Mydriasis bzw. keine Miosis bei direkter Beleuchtung, Ptosis, betroffenes Auge blickt nach außen & unten)
    • Rücksprache mit Neurologie, ggf. zerebrale Bildgebung zum Ausschluss Gefäß-Aneurysma. Evtl. auch Erstmanifestation multipler Sklerose etc. 
Bei zusätzl. neurologischen Symptomen (Kopfschmerz, Ataxie etc.) rasch CCT (DD SAB)
    • Einfacher Test zur Abklärung: Pilocarpin-Augentropfen 0,1% eintropfen: Wenn Miosis eintritt: Pupillotonie (harmlos); falls keine Miosis: Okulomotoriusparese!
  • Pharmakologische Anisokorie, v.a. Anticholinergika (u.a. dilatierende Augentropfen, Atropin, Scopolaminpflaster, Belladonna), auch Sympathomimetika / Halluzinogene
  • Adie-Syndrom (tlw. mit Hypo-/Areflexie der Beine) → amb. augenärztliche Vorstellung

Anisokorie + gleichzeitige Vigilanzminderung

  • V.a. Hirndruckerhöhung: Anisokorie durch Kompression N. oculomotorius, z.B. bei SHT, intrakranieller Blutung
    • Notfallmäßige Diagnostik nach initialer Stabilisierung
  • DD: Alkoholintoxikation (meist erst bei relativ hohem Alkoholspiegel)

Mydriasis beidseitig

Ursachen (Auswahl):

  • Beidseitige Okulomotoriusparese (s. Tabelle oben)
  • Pharmakologische Mydriasis (s. Tabelle oben)
  • Intoxikationen, u.a. Sympathomimetika (Amphetamine, Kokain, Ecstasy etc.) Halluzinogene (LSD, Pilze, GHB etc.)

Miosis beidseitig

Ursachen (Auswahl):

  • Intoxikation, u.a.
    • Opioide (Heroin, Fentanyl etc.)
    • Nikotin
    • Organophosphate
  • Medikamente, u.a.
    • Cholinergika, Antipsychotika
    • Antiemetika: 5HT3-Antagonisten (z.B. Ondandsetron), Antihistaminika
    • Parasympathomimetika (u.a. Pilocarbin-Augentropfen)

Horner Syndrom

Trias:

  • Einseitige Miosis
  • Ptosis
  • „Pseudoenophthalmus“ durch Ptosis

DD: Dissektion A. carotis, Hirnstammischämie, Tumore (Bronchialkarzinom, Mamma-Karzinom, Schilddrüsen-Karzinom), HWS-Verletzung
.
Bei Kindern an Neuroblastom denken, wenn neu aufgetreten.

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • BVA, D. S1 Leitlinie Virale anteriore Uveitis. AWMF (2022).
  • DOG, RG & BVA. S2e-Leitlinie Retinale arterielle Verschlüsse (RAV). Die Ophthalmol. 120, 15–29 (2022).
  • DOG. S1-Leitlinie Akute Verätzung am Auge. AWMF (2021).
  • Dua, H. S., Ting, D. S. J., Saadi, A. A. & Said, D. G. Chemical eye injury: pathophysiology, assessment and management. Eye 34, 2001–2019 (2020).
  • Ott, M. & Zinkernagel, M. Erstversorgung von Patienten mit Augenverletzungen. Notf. Rettungsmedizin 23, 143–153 (2020).
  • Jünemann, A. G. M., Rejdak, R. & Hohberger, B. Notfälle in der Augenheilkunde. Notf. Rettungsmedizin 21, 235–247 (2018).
  • Frings, A., Geerling, G. & Schargus, M. Red Eye: A Guide for Non-specialists. Dtsch. Ärzteblatt Int. 114, 302–312 (2017).
  • NSW, D. of H. Eye Emergency Manual. (2009).

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