1. Leitsymptome
  2. Allgemeines

Umwelteinflüsse: Kälte, Hitze, Strom, Wasser und Höhe

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Killer

  • Hochspannungsunfall / Blitzschlag
  • Hitzschlag
  • Schwere Hypothermie

Red Flags

Tipps

  • Hypothermie: Falls zuerst Hypotherm, dann Arrest (Pat. wurden zuerst ausgekühlt und haben erst dann einen Kreislaufstillstand erlitten): Oft auch trotz prolongiertem Verlauf gutes Outcome möglich! Prolongierte Reanimation und ECLS erwägen.
  • Hyperthermie: Andere Ursachen (z.B. Fieber/Sepsis) als Ursache für erhöhte Körpertemperatur in Betracht ziehen

Hypothermie

Definition: Körperkerntemperatur <35 °C.

→ spezielles Vorgehen bei Reanimation unter Hypothermie

Checkliste Hypothermie (mit Kreislauf)

  • “Ohrthermometer” sind ungenau. Bei V.a. mäßig-schwere Hypothermie: Körperkerntemperatur invasiv messen z.B. via Blasenkatheter oder ösophageal
  • Labor inkl. Elektrolyte; BZ, CK, TSH; venöse BGA
  • EKG (oft Bradykardie, ggf. PQ-/QT-Verlängerung, Osborn-Welle)
  • Entfernen von nasser Kleidung und aktive Erwärmung beginnen
    • >30°C: Nichtinvasive (Heizdecken, -strahler, Wärmepacks) und invasive Erwärmung (z.B. erwärmte Infusionen) möglich
    • <30°C: aktive invasive Erwärmung notwendig (z.B. Kühl-/Wärmekatheter, ECMO/HLM (s. Expert Life Support), evtl. Dialyse mit Heizung)
  • Bewegungen vermeiden und möglichst horizontale Lagerung (CAVE “Bergungstod” z.B. bei Umlagerung für Bildgebung) bei schwerer Hypothermie
  • Begleitverletzungen ausschließen
  • (Isolierte) Erfrierungsverletzungen der Extremitäten: Immersion in warmes Wasser, unbedingt Analgesie, ggf. Handchirurgie hinzuziehen
  • Ursachensuche (z.B. Intoxikation, Hypoglykämie etc.)

Mild

"Erregungszustand"

Mäßig

"Erschöpfungszustand"

Schwer

"Lähmungsstadium"

35-32°C

32-28°C

<28°C

Kältegefühl
Schmerzen

Muskelstarre
Zentralisation

Lähmung
Paralyse

Erhaltenes Bewusstsein aber Agitation
„Kältezittern“

Adynamie
Somnolenz bis Bewusstlosigkeit
Hyporeflexie
Mydriasis

„Scheintod“

Tachypnoe
Tachykardie
Hypertension

Bradypnoe
Bradykardie
Hypotonie

Areflexie
Apnoe

Erfrierungsverletzungen

Erfrierungen treten bei einer Gewebetemperatur < 0°C auf, es entstehen potentiell Ischämien, Thrombosen, Ödeme und Nekrosen. Am häufigsten betroffen: Hand, Fuß, Nase, Wangen.

Klinisches Bild (Haut):

  • Blass-marmoriert, kalt, weich (anfangs)
  • Wachsartig, hart, gefühllos (im Verlau

Checkliste Erfrierung

  • Wiedererwärmung über Immersion in warmem Wasser (37-39°C), 30-60 Min, wenn noch nicht präklinisch aufgetaut wurde
    • Unterbrechung der Wiedererwärmung vermeiden (Analgesie!)
  • Ausreichende Analgesie bei schmerzhafter Wiedererwärmung
  • Tetanusschutz prüfen und ggf. ergänzen
  • Bei Immobilisierung: Thromboseprophylaxe (s. Antikoagualation)

Spezialisierte Diagnostik / Therapie nach Wiedererwärmen, insb. bei beständigen Ischämiezeichen / kein Puls:

  • Angiografie (CT/MR-Angio, DSA)
  • ggf. Gabe von Iloprost iv.
  • ggf. Thrombolyse in ersten 24h nach Auftauen erwägen (Einzelfallentscheidung, in Rücksprache mit Gefäßchirurgie / Angiologie))

Hitze-Erkrankungen

Einteilung: Hitzeerschöpfung vs. Hitzschlag (vital bedrohlich)

Weitere Ursachen für Hyperthermie auch abseits der äußeren Auswirkung von Hitze siehe "Fieber und Hyperthermie"

Typische Trias:

  • Hitzeexposition in der Anamnese (z.B. Aufenthalt in praller Sonne)
  • zerebrale Dysfunktion
  • erhöhte Körpertemperatur (bei Hitzschlag >40,5°C)
Formen des Hitzschlags

Klassischer Hitzschlag

  • Nach längerem Aufenthalt in heißer Umgebung
  • Meist chronisch erkrankte Patient:innen mit regelmäßiger Medikamenteneinnahme
  • Verminderte Flüssigkeitsaufnahme

Belastungsbedingter Hitzschlag

  • Meist jüngere, fitte Patient:innen nach Anstrengung in der Hitze
  • Häufig begleitende Nierenfunktionseinschränkung, Rhabdomyolyse, Hypoglykämie, ev. Anstieg kardialer Biomarker

Hitzeerschöpfung

Hitzschlag

Definition

Hyperthermie (<40.5°C) 
mit erhaltener Thermoregulation

> 41°C 
mit Verlust der Thermoregulation

Klinik

  • Hypovolämie mit Durstgefühl
  • Schwitzen
  • leichte neurologische Symptome 
    (z.B. Kopfschmerzen)
  • leichte gastrointestinale Symptome 
    (Übelkeit, Erbrechen)
  • hyperdynamer Schock
  • (Dyspnoe, Tachypnoe)
  • kein Schwitzen,
    rotes und trockenes Hautkolorit
  • Mydriasis
  • schwere neurologische Symptome 
    bis Bewusstseinsstörung

Therapie

  • Symptomatisch
  • kühle Getränke
  • ggf. 500ml VEL iv.
  • Externes Kühlen: 
    Kühlauflagen
    nasse Handtücher
  • Internes/invasives Kühlen: 
    kühle Infusionen
    ggf. Kühlkatheter
  • Allgemeinmaßnahmen: 
    Volumengabe
    O2-Gabe (Ziel-SpO2>95-99%)
    Katecholamine falls nötig

Stromunfall

Hauptgefahren: Thermisch, kardial, Begleitverletzungen (durch Sturz/Explosion etc.) sowie Rhabdomyoloyse, Nierenschädigung (im Verlauf)

Risikofaktoren:

  • Hochspannung (>1.000V) / Blitzschlag
  • Initiale oder protrahierte Bewusstseinsstörung oder „Klebenbleiben“
  • Schwangerschaft
  • Kardiale Vorerkrankung (insb. Schrittmacher/ICD-Patient:innen)
  • Kardiopulmonale Beschwerden (Brustschmerz, Dyspnoe)
  • Sekundäre Verletzungen (Verbrennung, starke Muskelschmerzen, Trauma, etc.)

Checkliste Stromunfall

  • Immer 12-Kanal EKG!
    • Unauffälliges EKG, keine Risikofaktoren, keine Verletzungen: Entlassung möglich
  • Bei Risikofaktoren, Begleitverletzungen oder Hochspannungs-Unfall
    • Labor (inkl. Troponin, CK), ggf. Röntgen/CT
    • Monitorüberwachung min. 12-24h, spezifische Therapie (CAVE initial nicht sichtbare Muskelverletzungen bei Hochspannung)
  • Schwangerschaft: Immer CTG/Gyn-Vorstellung vor Entlassung
  • ICD-/SM-Patient:innen: Aggregatkontrolle vor Entlassung
  • Arbeitsunfälle: D-ärztliche Vorstellung

Blitzschlag

Blitzschlag gilt als Hochspannungsunfall, bei dem mit einer hohen Stromstärke hohe Temperatur erreicht werden. Es liegt meist eine kurze Einwirkzeit vor, teils werden keine inneren Organe geschädigt, da es zu einem so genannten „Flash Over“ kommt - heißt der Blitz/Strom gleitet oberflächlich über die Haut in den Boden.
Ein direkter Einschlag in eine Person ist sehr selten, dann aber fast immer letal.

Mechanismen

  • Direkter Einschlag (meistens vollständige Verkohlung mit letalem Ausgang)
  • indirekter Einschlag (häufiger)
    • über Kontakt (Blitz schlägt in Gegenstand, der in der Hand gehalten wird, ein)
    • Überschlageffekt (Blitz schlägt z.B. in Baum in der Nähe ein, der sekundär die Energie weiter gibt)
    • Teilstromdurchfluss (Fuß-Fuß, wenn Person <200m Entfernung vom Blitzeinschlag auf dem Boden steht, Schuhwerk wird häufig hierbei zerrissen)

Klinik / mögliche Verletzungen

  • Bewusstlosigkeit, Pupillen weit, nicht lichtreagibel
  • Lähmungen des zentralen Atemzentrums (mehrere Minuten) → oft notwendige invasive Beatmung
  • Hörstörungen (Trommelfellzerreißung), Sehstörungen (Augenverletzungen), auch Ruptur innerer Organe möglich
  • Trauma durch "Wegschleudern"
  • Bei Kreislaufstillstand: Meist initial Asystolie, Kammerflimmern seltener

Intensivmedizinische Überwachung wegen möglicher verzögerter neurologischer Komplikationen (insb. Paresen und Krampfanfälle können mit Latenz auftreten), Muskelschäden

Elektroschockpistole

z.B. Taser®

Wegen juristischer Relevanz (Polizeieinsatz): Saubere Dokumentation! Insb. auf sonstige Erkrankungen prüfen.

Checkliste Elektroschockpistole

  • Grund für Taser? (Intoxikation/Agitation, etc.) → akuter Handlungsbedarf?
  • Sturz / Begleitverletzungen?
  • Kritische/sensible Treffer-Stelle? (Auge, Genitalien)
  • Tetanus-Schutz?
  • Pfeil entfernen
    • ggf. Hinzuziehen von Fachrichtungen bei sensiblen Stellen (u.a. Auge, Genitalien)
    • einfacher kräftiger Zug entgegen der Pfeilrichtung (Widerhaken)
    • meist kein Skalpell nötig
    • durch lokalen Stromeffekt meist keine Lokalanästhesie nötig

Kritischer Spezialfall: Psychisches Problem - Exzitiertes Delir/Akute Agitation

Tauchunfall

Barotrauma: Druck zerstört Gewebe (Trommelfell, Alveolen) Symptome: während oder sofort nach dem Tauchgang.

Dekompressionsunfall: Gelöste Gase im Blut führen im gesamten Körper zu Schäden bis hin zu arterieller Gasembolie (“zu schneller Aufstieg”); Symptome bis einige Stunden nach dem Tauchgang möglich - erhöhtes Risiko bei Flugreise <24h nach dem Tauchen (veränderter Umgebungsdruck während des Flugs). Unterschiedliche Atemgase (Pressluft, Nitrox, etc.).

  • Milde Symptome (früher Dekompressionssyndrom Typ II):
    • Müdigkeit
    • Hautjucken (sog. Taucherflöhe) ohne Hautveränderungen
    • falls milde Symptome >30min bestehen werden diese wie schwere Symptome gewertet!
  • Schwere Symptome (früher Dekompressionssyndrom Typ II):

Spezielle Probleme durch Atemgase: Es werden unterschiedliche Atemgase (Pressluft, Nitrox (Stickstoff+Sauerstoff), Heliox (Helium+Sauerstoff), etc.) genutzt - danach fragen!

  • Stickstoffnarkose (“Tiefenrausch”): Ab ca. (15-)30m Wassertiefe kann es bei Tauchen mit Pressluft zur “Stickstoffnarkose” kommen (Symptome oft Euphorie, Selbstüberschätzung bis zu Halluzinationen und Bewusstsseinsstörungen)
  • Sauerstofftoxizität: Risiko v.a. bei Nitrox-Gasgemisch - kann zu Synkope, Krampfanfällen führen
  • CO-Intoxikation: Bei Verunreinigung der befüllten Tauchflasche (z.B. durch Abgase eines Kompressors) ggf. CO-Intoxikation (s. Rauchgas-Intox)

Checkliste Tauchunfall

  • Tauchanamnese (Tiefe, Auftauchen, Tauchcomputer?)
    • Tauchpartner:in bedenken und beobachten
  • Untersuchung: Fokus auf neurologische Defizite, Trommelfelle, Lunge
    • Röntgen-Thorax / Sonografie: Pneumothorax / Lungenödem?
    • Neuro-Auffälligkeiten: CCT (zerebrale Ischämie z.B. durch arterielle Gasembolie)
  • BGA: CO-Intoxikation? Sonstige Auffälligkeiten?
  • Schutz vor Auskühlen (viele Seen haben <10°C) und Überhitzung (z.B. Sonne + Neoprenanzug)
  • V.a. Dekompressionsunfall:
    • Maximaler O2 (z.B. NIV mit FiO2 100%; zuvor Pneumothorax ausschließen)
      Sauerstoffgabe auch bei rückläufigen Symptomen bis zur Rücksprache mit Tauchmediziner:in fortführen
    • Volumengabe nach klinischem Bedarf (oft Hypovolämie vorhanden)
    • Überwachung für mind. 24h mit regelmäßigen neurologischen Untersuchungen
    • Tauchärztliche Beratung einholen: Tauchmediziner:in s. Telefonnummern
    • ggf. Hyperbare Oxygenierungstherapie (Rücksprache mit HBO-Zentrum)

Ertrinken

Giftstoffe im Wasser möglich? Immer an Suizid/Misshandlung (Tötungsdelikt bei Kindern) denken.

Checkliste Ertrinken

  • Temperatur: Hypothermie wird bei Pat. häufig übersehen!
  • Bei respiratorischer Insuffizienz / Atemnot: Sono Thorax und Röntgen-Thorax (Lungenödem / Aspiration / Pneumonie?)
  • Ursachenforschung nach Anamnese:
  • Entlassung nach 4-6h Überwachung möglich, falls:
    • SpO2 ≥95% und
    • Pat. asymptomatisch und
    • Untersuchung unauffällig

Höhenerkrankung

Seltene Erkrankungen in der Notaufnahme. Symptome treten meist in großer Höhe (ca. >2000m) auf - und müssen auch dort behandelt werden. Primäre Therapie ist der Abstieg, in der Notaufnahme üblicherweise “nur” symptomatische Behandlung notwendig.

Akute Höhenkrankheit (auch: akute Bergkrankheit): Klinische Diagnose, typischerweise unspezifische (oft neurologische) Symptome (insb. Kopfschmerz); Beginn meist 6-24h nach (schnellem) Aufstieg. Klinische Überwachung, bei Verschlechterung / persistierenden Beschwerden ggf. Dexamethason analog zu HACE (s. unten).

Höhenhirnödem (auch HACE): Diffuse akute Enzephalopathie mit Ataxie, Bewusstsseinsstörung bis zu Koma.
Behandlung symptomatisch + Dexamethason 8mg iv. (dann 4mg /6h).
Differenzialdiagnosen für Vigilanzminderung erwägen (Schlaganfall, Meningitis, Elektrolytstörungen etc.)

Höhenlungenödem: Nicht-kardiales Lungenödem - tritt meist ca. 2-5 Tage nach Erreichen großer Höhe auf. Initial trockener Husten, im Verlauf produktiv-blutig. Klinisch Lungenödem (feuchte Rasselgeräusche, sonografisch B-Linien).
Symptomatische Therapie, z.B. nichtinvasive Beatmung. Diuretika sind eher nicht hilfreich (meist liegt Exsikkose vor).

Weiterführende Literatur und Links

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Klapa, S., Werr, H. & Koch, A. Aquatische Notfälle in der Notaufnahme. Notaufnahme up2date 05, 185–203 (2023).
  • Rauch, S., Brugger, H. & Paal, P. Akzidentelle Hypothermie – Update 2023. Notf. Rettungsmedizin 26, 379–392 (2023).
  • Fichtner, A. Ertrinkungs- und Tauchunfälle - erkennen und zielgenau behandeln. Notfallmedizin up2date 18, 153–175 (2023).
  • Lechner, R. & Tannheimer, M. Höhenmedizin. Notarzt 39, 94–105 (2023).
  • Jüttner, B. et al. S2k guideline for diving accidents. GMS Ger. Med. Sci. 21 (2022).
  • Meyknecht, B. & Pieske, O. Strom- und Elektrounfälle – Harmlose Verletzung oder lebensbedrohliche Situation? Notaufnahme up2date 04, 165–183 (2022).
  • Schmitz, J., Jansen, S., Meyer, M. & Hinkelbein, J. Tauchunfälle. Notf. Rettungsmedizin 25, 285–293 (2022).
  • Paal, P. et al. Accidental Hypothermia: 2021 Update. Int. J. Environ. Res. Public Heal. 19, 501 (2022).
  • Ahmed, J. et al. Patient outcomes after electrical injury – a retrospective study. Scand. J. Trauma, Resusc. Emerg. Med. 29, 114 (2021).
  • Berghold, F. et al. Alpin- und Höhenmedizin. 2. Auflage. (Springer, 2019).
  • Waldmann, V., Narayanan, K., Combes, N. & Marijon, E. Electrical injury. BMJ 357, j1418 (2017).
  • Hansen, S. M. et al. Mortality and risk of cardiac complications among immediate survivors of accidental electric shock: a Danish nationwide cohort study. BMJ Open 7, e015967 (2017).
  • Paal, P. et al. Accidental hypothermia–an update. Scand. J. Trauma, Resusc. Emerg. Med. 24, 111 (2016).
  • Searle, J., Slagman, A., Maaß, W. & Möckel, M. Cardiac Monitoring in Patients With Electrical Injuries. Dtsch. Ärzteblatt Int. 110, 847–53 (2013).

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